Konservative Wende in Polen steht bevor
Warschau (n-ost) - Drei Tage vor der Wahl zum polnischen Parlament, dem Sejm, scheinen sich die Polen noch nicht über ihren künftigen Premierminister einig. Sicher ist nur, dass sie sich für einen politischen Wechsel zu Gunsten des bürgerlichen Lagers entscheiden werden. Denn die nationalkonservative Partei von Jaroslaw Kaczynski (PiS, Recht und Gerechtigkeit) und die Liberalkonservativen des Spitzenkandidaten Jan Rokita (PO, Bürgerplattform) kämen – nach den jüngsten Umfragen – gemeinsam auf 66 Prozent, also auf zwei Drittel der Sitze im Sejm. Dabei liegt die PiS momentan bei 34 Prozent, die PO bei 32 Prozent (Quelle: TNS OBOP). Die bisher regierenden Sozialdemokraten (SLD) kämen demnach nur auf acht Prozent und wären hinter der Partei des Rechtspopulisten Andrzej Lepper (Samooborona, Selbstverteidigung) nur die vierte Kraft.
In den vergangenen Wochen allerdings hatte die liberale PO die Umfragen angeführt. Es herrschte Klarheit über eine große Koalition – unter der Führung von Jan Rokita. Dieser setzt sich für Wirtschaftsreformen, eine Flat-Tax (Mehrwert-, Einkommens- und Gewerbesteuer auf 15 Prozent) und eine Entbürokratisierung des polnischen Staatsapparates ein. Rokita ist mit einer deutschen Frau verheiratet, Nelli Rokita, die in der ehemaligen Sowjetunion aufgewachsen ist und lange in Deutschland gelebt hat. Seine PO ist Partnerpartei der CDU: „Ich versuche Frau Merkel schon lange von einer Flat-Tax zu überzeugen“. Rokita sieht darin den ersten Schritt zu einem einheitlichen europäischen Steuersystem. An der Warschauer Börse hatten die guten Umfragewerte der PO zu einer Rekordmarke des polnischen Aktienindex WIG 20 geführt. Eine Rolle spielte dabei auch, dass sie in den Umfragen zur zwei Wochen später stattfindenden Präsidentschaftswahl führt – mit ihrem Kandidaten Donald Tusk, gefolgt von der PiS. Deren Präsidentschaftskandidat ist Lech Kaczynski, der Zwillingsbruder von Jaroslaw Kaczynski, und wirbt - wie dieser - für einen „starken Staat“. Der Wahlkampf macht die Unterschiede zwischen dem liberalen Jan Rokita und dem nationalkonservativen Jaroslaw Kaczynski deutlich.
Jaroslaw Kaczynski hält nichts „von liberalen Experimenten“ und will die hohe Arbeitslosigkeit (18 Prozent) mit „staatlichen Arbeitsmarktprogrammen“ bekämpfen: „Nach den PO-Ideen werden zehn Millionen arme Polen noch ärmer, und die Reichen werden noch reicher“. Im Gegensatz zu Rokita tritt er für ein progressives Steuermodell ein. In Wirtschaftskreisen wird Kaczynski ein „ökonomischer Sozialist“ genannt. Auch in anderen Politikfeldern unterscheidet er sich stark von der liberalen PO, beispielsweise wenn er sagt, „dass die Todesstrafe das einzige ist, was einen kaltblütigen Mörder erwarten sollte“. In der Außenpolitik kritisiert er – wie alle führenden Politiker in Polen – die enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland, geht aber noch einen Schritt weiter: „Viele Deutsche wollen die grausamen Tatsachen der deutsch-polnische Geschichte verdrängen“. Kaczynski sieht Polen in der EU von Deutschland bevormundet und unterstellt einzelnen deutschen Politikern „faschistisches Gedankengut“.
Die wichtigste polnische Tageszeitung, die „Gazeta Wyborcza“, befürchtet schon, dass Polen sich im Falle eines Wahlsieges der PiS innerhalb Europas isoliert. Im Verhältnis zu Deutschland und Russland sei eine Konfrontation zu erwarten. „Der Wähler hat die Option zwischen der europäisch-nationalen PO oder der national-europäischen PiS“. Und nun stellt Jaroslaw Kaczynski auch die sicher geglaubte Koalition von PO und PiS in Frage: „Ich habe ein Angebot von den Linken“, kokettierte er gestern mit Ausblick auf das Amt des Premiers.
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