Rumänien

Ein Kurort mit Ballermann-Atmosphäre


Eforie Nord (n-ost) - Heidrun Korzus sitzt am Strand, blickt aufs
Schwarze Meer und könnte Oropax gebrauchen. Die 56-jährige Deutsche ist im
Wellness-Urlaub im rumänischen Eforie Nord, einem Ort, in dem sich
hunderte westeuropäische Kurgäste tummeln: Morgens heilende Schlammbäder,
mittags Massage, abends Verjüngungskur, nachts erholsamer Schlaf. Doch
allabendlich schallt aus den Strandbars Diskomusik und die Urlauberin
sagt: "Es könnte hier so schön sein."

Heidrun Korzus hat in diesem Sommer Bulgarien den Rücken gekehrt, weil
dort eine Bettenburg nach der anderen entsteht und "Urlaub bei Baulärm
unmöglich ist". Weil sie die Schwarzmeerküste mag, zog sie ostwärts,
auf die rumänische Seite, die von den bulgarischen Besucherzahlen bislang
nur träumen kann: Rund 550.000 Deutsche reisen jährlich nach Bulgarien,
nach Rumänien kommen hingegen nur halb so viele deutsche Urlauber. So
weit abgeschlagen war Rumänien nicht immer. Vor der Wende war das
Schwarze Meer ein gleichermaßen beliebtes deutsch-deutsches Urlaubsziel: Nach
Bulgarien fuhren die DDR-Bürger, nach Rumänien die West-Bürger. Ein
Bonus, der Anfang der 90er Jahre ausländische Investoren anzog. Doch
während in Bulgarien Unternehmen wie Neckermann und TUI willkommen waren,
ersann die damalige sozialistische Regierung in Rumänien eigene
Marktregeln: Sie wollte "das Land nicht an Ausländer verkaufen", schob die
Privatisierung jahrelang auf und verspielte so im Ausland den Ruf Rumäniens
als nennenswertes Reiseziel.

Geschichten von gestern könnte man heute meinen, schließlich sind
inzwischen alle Hotels an der rumänischen Schwarzmeerküste in privater Hand
und nach westlichen Standards renoviert, auch gibt es zahllose
Restaurants und Bars. Dazwischen tummeln sich fliegende Händler, die
feilbieten, was der Urlauber ihrer Meinung nach gebrauchen könnte: Obst,
raubkopierte Musik-CDs, Miederwaren oder geröstete Sonnenblumenkerne. Die
meisten Besitzer und Investoren sind - wie einst von der Regierung
gewünscht - aus Rumänien, doch nur die wenigsten haben Ahnung. "Die verstehen
vom Tourismus meist so viel, wie ein Fleischer vom Haare schneiden. Doch
das gesteht sich keiner ein", sagt ein Vertreter eines deutschen
Reiseunternehmens. Hinzu kommt das ein jeder Betreiber auf das eigene
Erfolgsrezept schwört, das führt oft zu den kuriosesten Kombinationen: In
Eforie Nord warten Barbesitzer auf Scharen partyfreudiger Jugendlicher, die
Hotels nebenan sind auf Wellness-Rentner spezialisiert, zusammen ergibt
das einen Kurort mit Ballermann-Atmosphäre.

Auch Toni Messerschmidt kann ein Klagelied singen: "Wenn die Arbeit
überhand nimmt, läuft mir ein Teil des Personals davon. Das wäre
andernorts unvorstellbar." In den Sommermonaten unterhält der Wahl-Rumäne ein
Restaurant im Badeort Mamaia: Deutsche Küche für internationales
Publikum. Den meisten Gästen hat Messerschmidt winters in seinem Berliner
Reisebüro eigene Touren vermittelt. "Warum alles Neckermann oder TUI
überlassen, wenn ich weiß, wie´s geht." Dienstags ist Ankunfts- und
Abfahrtstag: Messerschmidt empfängt die Touristen am Flughafen der Hafenstadt
Constanta, bringt sie in die gewünschten Hotels und betreut sie im Urlaub
mit Tagesausflügen und Sprechstunden auf Deutsch. "In der
Tourismusbranche lässt sich gutes Geld verdienen, doch die meisten Chefs sind zu
unbeweglich fürs Geschäft", sagt Messerschmidt über seine rumänischen
Branchenkollegen.

Die Badeorte am Südzipfel der insgesamt rund 250 Kilometer langen
Schwarzmeerküste könnten längst als Geheimtipp gelten. Schließlich sind die
Hotelangebote preiswert. Der Strand ist nicht überlaufen, anders die
bulgarische Seite, die aus allen Nähten platzt und in der Reisebranche
spöttisch als "Teutonengrill" gilt. Doch die Rumänen kochen ihn eigenes
Süppchen. In so manchem Touristenort gibt es in den Restaurants weder
mehrsprachiges Personal noch Speisekarten, in den Hotels erzählen die
Animateure ihre Witze in der Landesprache - da sind ausländische Touristen
schnell überfordert. Und: Wer sich nicht verstanden fühlt, fühlt sich
selten willkommen.

Dass seine Branchenkollegen die ausländischen Touristen ignorieren,
verwundert Hotelier George Guci nicht. Wer aus Rumänien kommt und einen
Urlaub in einem mehrsternigen Hotel am Meer verbringen kann, gehört zur
Oberschicht. "Die lassen mehr Geld in den Orten zurück als deutsche
Urlauber, die jeden Euro umdrehen", sagt Guci. Der Hotelier besitzt zwei
Hotelanlagen mit rund 200 Zimmern. Seine Gäste kommen aus Deutschland,
Skandinavien oder dem Inland nach Mamaia, einen Badeort, den Guci "den
Leuchtturm" an der Küste nennt. Der Küstenort Mamaia ähnelt einem großen
Vergnügungspark und über den Dächern der Hotelburgen schwebt eine
Seilbahn, von der man das bunte Treiben von oben aus beobachten kann.

Nur ein paar Autostunden entfernt, liegt das nahezu unberührte
Donaudelta, per Tagesausflug sind auch die deutschen Kirchenburgen in
Siebenbürgen zu erreichen oder die quirlige Hauptstadt Bukarest. Rumänien
besitzt viele Touristenattraktionen, die den Urlaub am Meer abrunden können.
Nach den Ausflügen seien die Touristen meist völlig von Rumänein
begeistert, erzählt Guci, "doch die großen Erlebnisse verblassen, wenn die
Details nicht stimmen." Wenn einmal improvisiert werden müsse, "ist das
für manche Deutsche schlimmer als 14 Tage Regenwetter." Also wirbelt
der Hotelier mit seinem Personal, bemüht sich um Perfektion. Schließlich
seien deutsche Touristen sehr treu: Wenn es ihnen gefällt, kommen sie
jedes Jahr wieder, bei umgekehrten Ausgang, halten sie sich treu dem
Ort fern.

Die aus der Nähe von Bielefeld stammende Heidrun Korzus lässt sich
trotz einiger Widrigkeiten nicht unterkriegen. Sie hat in ihrem Urlaubsort
Eforie Nord extra ein paar rumänische Wörter gelernt, für den
Einkaufsbummel, oder um die Speisekarte im Restaurant zu verstehen. "Ich wollte
nicht immer nur ahnen, was ich serviert bekomme". Solche Begebenheiten
sind nette Episoden für zu Hause. Ob sie wegen dieser alltäglichen
Abenteuer im nächsten Jahr wiederkommt, weiß sie aber noch nicht:
"Eigentlich wollte ich Urlaub machen."


Reisenotizen fürInfokasten:
Wer seinen Urlaub an der Schwarzmeerküste in einem Hotel verbringen
will, sollte die Reise in
Deutschland buchen - das ist die preisgünstigste Variante. Neben den
bekannten Reiseveranstaltern wie Neckermann, ITS oder TUI bieten auch
kleine Reiseunternehmen Touren nach Rumänien an.

Wer individuell ans Schwarze Meer reisen will, muss oft zunächst den
Weg über Bukarest nehmen. Die billigsten Verkehrsmittel sind Bus oder
Zug, sie sind zugleich aber auch die anstrengendsten und langsamsten.

Preiswert und ein wenig schneller gelangt man mit der Kombination aus
Flug und Zugfahrt ins Land: So nutzt man einen Billigflieger nach
Budapest und reist dann mit dem Nachtzug über Bukarest weiter nach Constanta.

Linienflüge nach Rumänien sind in der Regel oft teurer als in andere
osteuropäische Länder. Die Fluggesellschaften Tarom, Carpatair und
Lufthansa bieten Direktflüge in verschiedene rumänische Großstädte an.
Preisgünstiger aber mit längeren Zwischenaufenthalten sind Angebote der
ungarischen Fluggesellschaft Malev und der tschechischen Fluggesellschaft
Csa.

Wer mit einem Pkw reist, muss seit diesem Jahr eine Mautgebühr in
Rumänien zahlen. Der Benzinpreis liegt derzeit bei zirka 1 Euro. Rumänien
verfügt beim Straßennetz osteuropaweit über die kleinste Autobahnstrecke:
rund 230 Kilometer. Der Großteil der Strecke ans Schwarze Meer ist
damit Bundesstraße, die oft Landstraßenqualität hat.

Die billigsten Zimmer am Schwarzen Meer bieten Einheimische in ihren
Häusern an. Der Standard ist spartanisch.

Der Personalausweis genügt für die Einreise nach Rumänien, bis zu drei
Monaten kann man sich ohne Visum im Land aufhalten. Es lohnt sich ein
kleines Reisewörterbuch mitzunehmen, um sich zu verständigen und Oropax,
um manchmal seine Ruhe zu haben.


*** Ende ***



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