Polen

Lech Walesa als Comicfigur


Danzig(n-ost) – Dass sich mit Hilfe von Comics Geschichte vermitteln lässt, ist spätestens seit Art Spiegelmanns Comic „Maus“ bekannt, in dem der New Yorker Zeichner die Geschichte des Holocaust nachzeichnet und dieses schwierige Thema gerade Jugendlichen näher bringt.
In Polen geht man nun einen ähnlichen Weg: Rechtzeitig zum 25. Jahrestag der Streiks auf der Danziger Werft, ist seit Anfang dieser Woche der 60-seitige Comic „Solidarnosc – die Hoffnung der einfachen Menschen“ erhältlich. Das Buchcover ziert ein jubelnder Lech Walesa, der von den streikenden Arbeitern auf Händen getragen wird.

Der Initiator des Projektes, Maciej Jasiński, ließ sich von einer Geschichtslehrerin inspirieren: „Ich habe vor ihr erfahren, dass die Jugendlichen heutzutage die neueste Geschichte überhaupt nicht kennen“, sagt der 28-jährige Journalist aus Bydgoszcz (Bromberg), einer Stadt rund 200 Kilometer südwestlich von Danzig. „Ich wollte eine für alle verständliche Sprache finden“, erklärt Jasiński, „um zu zeigen, dass es noch vor Kurzem ein ganz anderes Polen gab.“ Auch Walesa selbst wirkte an dem Projekt mit: „Wir haben jetzt ein demokratisches System mit vielen Freiheiten und die Künstler können „Solidarnosc“ so vorstellen, wie sie nur wollen“, sieht Walesa den Comic in der direkten Linie seines eigenen Freiheitskampfes. „Ich habe nichts dagegen. Manchmal lache ich, manchmal ärgere ich mich, manchmal bewundere ich diese Ideen“. Walesa hat ein eigenes Vorwort zum Comic beigesteuert: „Für uns Zeitzeugen sind diese Ereignisse eine lebendige Erinnerung. Die jungen Leute sollen diese Geschichte kennen lernen, ihrer gedenken und sie an folgende Generationen weitergeben.“

Kritik kommt dagegen von General Wojciech Jaruzelski, als damaliger polnischer Staatspräsident der Gegenspieler der Gewerkschaftsbewegung. „Ein Comiczeichner kann keine genaue Betrachtung der Geschichte anstellen. Er zeigt nur eine oberflächliche Betrachtung, die Realität ist viel tiefschichtiger. Aber heutzutage versuchen Leute aus allem Geld zu machen“, so Jaruzelski.

Der Comic „Soldarnosc - die Hoffnung der einfachen Menschen“ besteht aus vier Geschichten. Jede wurde von einem anderen Künstler gezeichnet. Darunter sind bekannte, polnische Künstler wie Janusz Ordon oder Filip Myszkowski, der auch den Entwurf des Umschlages lieferte. „Die Bilder entstanden auf Basis alter Fotografien und Publikationen. Nur der Umschlag ist meine künstlerische Vision“, verrät Myszkowski.

Auf den Zeichnungen stehen die einfachen Menschen im Mittelpunkt: ein Arbeiter der Danziger Werft, Demonstranten auf der Strasse, Gläubige in der Kirche. Der Autor Jasinski zeigt, wie der sozialistische Staat mit Oppositionellen umging, wie schnell man ins Gefängnis gesteckt wurde, wie heute selbstverständliche Menschenrechte damals verletzt wurden. Alles kommt recht plakativ daher, eben gerade für junge Leser leicht verständlich.

Allerdings greift Jasinski auch auf die Hilfe von angesehenen Fachleuten zurück. Zu jedem der vier Buchkapitel gibt es einen historischen Abriss über die Hintergründe der damaligen Ereignisse. Der Vermerk über das Leben, die Tätigkeit und den Mord am Priester Jerzy Popieluszko, der wie kein zweiter kirchlicher Würdenträger die Gewerkschaftsbewegung unterstützt hatte, stammt beispielsweise von Priester Romuald Biniak. Er ist Probst der Kirche in Bydgoszcz, in der Popieluszko die letzte Messe vor seiner Ermordung zelebrierte. Andere Texte wurden von bekannten polnischen Historikern beigesteuert.

Das Heft gibt es seit Beginn dieser Woche in den polnischen Buchhandlungen für 19.90 Zloty (5 Euro) zu kaufen. Im Internet kann es unter www.agg.com.pl bestellt werden. Auch eine Übersetzung ins Deutsche ist geplant.

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