Polen

Walesa wird zu einem Held in einem Theaterstück


Danzig(n-ost) – Auf einer kleinen Bühne im Danziger Küstentheater wird geprobt. Auf zwei Holzstühlen sitzen sich ein Mann und eine Frau gegenüber. In den Händen halten sie viele Blätter Papier. Sie üben gerade eine Szene vor Gericht:. „Ich nehme alles auf meine Kappe. Und in der Zukunft auch. In der Zukunft auch! Bitte schreiben Sie sich das auf! Dass man später nicht die Schuldigen sucht“!
Der Schauspieler, der diese Sätze spricht, hat die Rolle von Lech Walesa übernommen, des Arbeiterführers, der vor 25 Jahren die Streiks auf der Danziger Leninwerft anführte und am 31. August 1980 die Gründung der Unabhängigen Gewerkschaft „Solidarnosc“ durchsetzte.

Am Bühnenrand sitzt neben dem Regisseur und einigen Schauspielern ein ergrauter Herr, der ab und zu die Probe mit seinen Anmerkungen unterbricht. Es ist der echte Lech Walesa, den sichtlich amüsiert, was da einstudiert wird „Woher habt ihr dieses Zitat?“, wundert er sich. „Es ist fast authentisch!“ Besonders die Stellen, in denen er im Mittelpunkt der Handlung steht, gefallen dem polnischen Ex-Präsidenten gut. „Ich muss zugeben, ich bin baff. Am Anfang fand ich das Stück langweilig aber jetzt wird es spannend.“

Das Theaterstück ist nur eines von vielen Kulturereignissen, mit denen die Danziger im August und September an die Ereignisse vor 25 Jahren erinnern, die letztlich zum Sturz der Berliner Mauer und der Öffnung Europas führten. Auch für den, der des Polnischen nicht mächtig ist, lohnt sich ein Ausflug an die Danziger Bucht.

Überall in der Dreistadt, zu der neben Danzig auch die benachbarten Städte Sopot (Zoppot) und Gdynia (Gdingen) gehören, sind in diesen Tagen Ausstellungen eröffnet worden. In der Danziger Abteilung des polnischen Instituts für Nationales Gedenken im Stadtteil Oliwa beispielsweise, sieht man große Schwarz-Weiß-Fotos: Eine Gruppe von Werftarbeitern in dreckigen Werksuniformen, Menschenmassen, die durch den Werfttor ihre Hände den Streikenden entgegenstrecken.

„In der damaligen Zeit, gab es in Polen nichts“, sagt der Historiker Piotr Szubarczyk. „Heute vergisst man das häufig. Viele Menschen in Polen sind verbittert und enttäuscht und sagen, dass ist nicht das, wofür die Werftarbeiter im Jahre 1980 gekämpft haben. Deshalb erinnern wir an die damalige Zeit, damit sich die Leute erinnern, wie schlimm es vor dem Streik war“.

Ob sich die Streiks gelohnt haben oder nicht, darüber werden vom 29. bis 30. August Wissenschaftler, Politiker und Publizisten aus aller Welt in der Uni Danzig diskutieren. Zu der großen Konferenz unter dem Namen „Solidarnosc für die Zukunft“, die mit Hilfe der Konrad-Adenauer-Stiftung organisiert wird, haben sich unter anderem Lech Walesa, Bundespräsident Horst Köhler und Polens Präsident Alexander Kwasniewski angekündigt. Auch der prominente englische Historiker Timothy Garton Ash, steht auf der Teilnehmerliste.

Einen besonders großen Aufwand hat der Magistrat der Stadt Gdynia betrieben. Alle Einwohner wurden aufgerufen, Erinnerungsstücke an die Streikbewegung einzureichen. Diese werden nun im Gemini – Zentrum der Stadt ausgestellt: Dort kann man unter anderem eine originale Untergrunddruckerei besichtigen, in der illegale Flugschriften angefertigt wurden. Es gibt auch große Demonstrationsbanner zu sehen, Zeitungen und sogar private Postkarten und Briefe von damals inhaftierten Dissidenten. Tausende von Besuchern wurden in den ersten Tagen registriert, bis Mitte September wird die Schau zu sehen sein.

Und wer keine Lust auf Museumsatmosphäre hat, der braucht nur durch die Straßen von Gdynia zu flanieren: Unter dem Titel „Murales“ werden derzeit in den Hauptstraßen der Stadt in der Nähe eines Denkmals für die Opfer der Streikbewegung drei Meter hohe Metallinstallationen mit großen Postern präsentiert. „Es ist eine visuelle Erzählung der Streik in Gdynien“, erklärt die Organisatorin Dagmara Plaza Opacka. Gezeigt werden Dokumente des polnischen Geheimdienstes und Fragmente von den damaligen Predigten.
Weitere Ausstellungen finden sich im Rathaus von Gdynia und im Danziger Artushof. Dazu gibt es die ständige Ausstellung „Roads to Freedom“ über die Solidarnosc direkt auf dem Danziger Werftgelände.

Zur größten Attraktion für junge Leute dürfte jedoch das Konzert von Jean Michel Jarre werden. Der französische Musiker wird am 26. August auf der Danziger Werft seine Show „Ton und Licht“ präsentieren. Mit 120.000 Teilnehmern wird gerechnet. „Das Interesse an das Konzert war so groß in Polen, dass die Tickets nach einer Woche verkauft waren“, erzählt Stanisław Plakwicz, der für die Organisation des Konzertes verantwortlich ist.
Und Freunde der Klassik, sollten sich den 31. August vormerken. An diesem Tag, an dem vor 25 Jahren die Augustvereinbarungen zwischen den Streikenden und Vertretern der Regierung auf der Werft unterzeichnet wurde, die den Weg für die Solidarnosc frei machten, gibt es auf dem Solidarnosc Platz vor der Danziger Werft die Welturaufführung der „Kantate der Freiheit“, die extra für diesen Anlass beim polnischen Komponisten Jan Kaczmarek in Auftrag gegeben wurde.

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