Merkel distanziert sich von Russlandpolitik Schröders
Warschau (n-ost) – Wenn er mitwählen könnte, würde Stanislaw Siratzki seine Stimme vermutlich Gerhard Schröder geben. „Schröder hat als Bundeskanzler auf jeden Fall mehr Format“, kommentiert der 78-jährige Weltkriegsveteran. Doch Siratzki ist Pole. Seine Stimme wird Angela Merkel deshalb in der Endabrechnung nicht fehlen. Bei ihrer Stippvisite in Polens Hauptstadt Warschau ging es der wahlkämpfenden CDU-Kandidaten mehr um ein Signal an in die Heimat, dass sie sich auch auf schwierigem Terrain zurechtfinden kann. Und dass ist ihr gemessen an den Reaktionen der polnischen Kommentatoren gelungen - trotz des heiklen Themas „Zentrum gegen Vertreibung“, das von Merkels CDU-Kollegin, der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen Erika Steinbach in Erinnerung an die Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkrieges geplant wird, und das in Polen seit Jahren für böses Blut sorgt.
Merkel traf sich in Warschau zu Gesprächen mit dem polnischen Präsidentschaftkandidaten Donald Tusk von der liberal-konservativen Bürgerplattform, mit Präsident Aleksander Kwasniewski und mit Ministerpräsident Marek Belka (SLD). Nur das Treffen mit Tusk hatte dabei einen öffentlichen Charakter. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Warschauer Königsschloss kam dann auch das „Zentrum gegen Vertreibung“, das der Bund der Vertriebenen (BdV) schnellstmöglich in der St. Michaelis Kirche in Berlin-Mitte errichten will, zur Sprache. „Ich verstehe die Ängste, die es in Polen dagegen gibt, sehr gut“, sagte Merkel diplomatisch, und weiter, „die Union unterstützt es, weil die Vertreibung dokumentiert werden muss“.
Merkel betonte allerdings, dass sie und ihre Partei das Anliegen der so genannten „Preußischen Treuhand“ ablehnt: „Eine Unionsgeführte Bundesregierung wird keinerlei Entschädigungsforderungen unterstützen“. Sie setze sich auch dafür ein, dass niemand die Kriegsschuld Deutschlands in Frage stellt. Merkel sieht das „Zentrum gegen Vertreibungen“ in einem internationalen Zusammenhang – sie wünsche sich derartige Einrichtungen auch in Sarajewo (Bosnien), Breslau/Wroclaw (Polen) und in Jerewan (Armenien).
Den Makel, den sich Merkel mit ihrer Haltung zum „Zentrum gegen Vertreibung“ in Polen erworben hat, könnte sie mit einem Vorstoß zur Ostpolitik weggewischt haben: „Wir wollen keine Achse Paris-Berlin-Moskau“, sagte Merkel und distanzierte sich damit von Schröder und dessen Freundshcaft mit Russlands Prädisdent Putin, die in Polen durchaus kritisch gesehen wird. Merkel lobte zudem die Polen als Wegbereiter der Demokratisierung in Europa. „Als DDR-Bürgerin habe ich immer den großen Mut der Polen in der Solidarnosc-Bewegung bewundert“. Das sind Sätze, die in Warschau gut ankommen.
Als Kanzlerkandidatin sei es ihr wichtig, mit ihren Reisen nach Paris und Warschau deutlich zu machen, dass die Aussöhnung mit Frankreich und Polen gleichwertig sei. Zusätzlich will Merkel das Anliegen der polnischen Minderheit in Weißrussland unterstützen, die dort vom diktatorischen Präsidenten Aleksander Lukaschenko drangsaliert wird. Schließlich hoffe sie, dass Polen dabei helfen könne, dass angespannte Verhältnis zwischen der Europäischen Union und den USA zu verbessern.
Wirtschaftspolitische Themen sowie die geplante Gasleitung zwischen Russland und der deutschen Ostsee wurden gestern nicht diskutiert. Bei einer Kranzniederlegung am Denkmal für die Gefallenen des Warschauer Aufstandes 1944 traf Merkel dann unter anderem auch auf den Schröder-Freund Stanislaw Siratzki. Der würde sie zwar nicht wählen, fügte aber am Ende versöhnlich an: „Wenn Merkel Kanzlerin wird, kommen wir Polen damit auch zurecht“.
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