Kroatien als Top-Reiseziel des Jahres: Mehr Gäste als je zuvor
Stoßstange an Stoßstange schlängelt sich die Blechkolonne durch das Karstgebirge. Die kroatische Adriaküste taucht in ein unwirkliches Abendrot, verwandelt sich irgendwann in einen schmalen Strich am Horizont. Irgendwann drosselt die Schlange ihre Geschwindigkeit, das monotone Brummen der Motoren verstummt. Erschöpfte Urlauber aus Rosenheim, Darmstadt und Luzern klettern aus ihren Fahrzeugen, recken sich gähnend.
Knapp 20 Kilometer Stau meldet der kroatische Verkehrsfunk auf deutsch und englisch. Schuld daran ist der Tunnel Sveti Rok: Ein Nadelöhr auf der neuen Autobahntrasse, das durch das Velebit-Gebirgsmassiv gefräst wurde. Schuld daran sind aber auch die Touristenmassen, die in der Hauptreisezeit bis Ende August in das kleine Land an der Adria strömen.
Kroatien verzeichnet in diesem Jahr einen nie zuvor dagewesenen Touristen-Boom. Sieben Prozent mehr Gäste bis Juli, verkündete der Kroatische Tourismusverband in diesen Tagen. Konkret bedeutet das: Mehr als 4,9 Millionen Gäste machten in den ersten sieben Monaten des Jahres Urlaub in Kroatien, darunter 4,3 Millionen aus dem Ausland. Das sind fast genauso viele Gäste, wie der junge Küstenstaat Einwohner hat.
Alle Rekorde wurden bislang im Monat Juli gebrochen, in dem gut 2,4 Millionen Urlauber die Strände und Appartements bevölkerten. Spitzenreiter waren dabei die Deutschen: Jeder dritte Erholungssuchende in dieser Saison stammt aus Deutschland, die Hälfte davon wiederum aus Bayern oder Baden-Württemberg. Der deutsche Durchschnittsurlauber ist unter allen Ausländern am beliebtesten, wie eine Meinungsumfrage des Instituts „Markottel“ unter 400 Personen ergeben hat. Fast jeder zweite Befragte bevorzugt Touristen aus Deutschland.
Wirtschaftsflaute hin oder her – einen Tag an der Adria lässt sich der durchschnittliche Urlauber aus der Bundesrepublik 52 Euro pro Tag kosten, ebenso viel wie ein Österreicher. Damit übertreffen die deutschsprachigen Gäste den kroatischen Urlauber um neun Euro pro Kopf und Tag, schreibt die Tageszeitung „Vecernji list. Am spendabelsten zeigen sich jedoch Engländer, die 115 Euro täglich im Land lassen.
REISEINFORMATIONEN
Kroatien erreichen Sie am günstigsten und schnellsten mit „Germanwings“.
Wer
frühzeitig bucht, fliegt bereits ab 19 Euro. Weitere Informationen:
www.germanwings.com
Auch die kroatische Fluggesellschaft „Croatia
Airlines“ hat günstige Angebote nach Split im
Angebot (ab 76 Euro für den One-Way-Flug). www.croatiaairlines.hr
Sparen
kann man auch mit den Angeboten von des Busbetreibers „Eurolines“: So
kostet die Fahrt von München nach Zagreb im täglich verkehrenden
Linienbus ab 40 Euro. Weitere Strecken unter www.eurolines.com
Die einfache Fahrt von München nach Zagreb kostet um die 78 Euro im Schlaf-/Liegewagen. www.bahn.de
Wer
mit dem Auto anreist, muss Maut- und Tunnelgebühr in Österreich
einplanen. Gebührenpflichtig sind auch slowenische und kroatische
Autobahnen. So kostet eine einfache Fahrt auf der A1 von Zagreb nach
Split etwa 22 Euro Mautgebühren. Aktuelle Verkehrsmeldungen hält der Kroatische
Automobilklub HAK bereit: www.hak.hr
Mit einer Übernachtung vor
Ort müssen Sie je nach Lage ab 20 Euro pro Person in einer kleinen
Pension oder Privatunterkunft rechnen. Privatzimmer sind entlang der
gesamten Küste als „Soba“ ausgeschildert. Essen und Trinken sind
vergleichsweise günstiger als in Deutschland: Schwarzes
Tintenfisch-Risotto kostet in Zagreb etwa 5 Euro pro Portion, auf den
dalmatinischen Inseln wie Brac oder Hvar hingegen nicht selten das
Doppelte.
Das Kroatien zu den Top-Destinationen des Jahres gehört,
darüber herrscht in der internationalen Presse Einklang. So erklärte der
Reiseführer-Verlag „Lonely Planet“ Kroatien sogar zum Urlaubsziel Nummer Eins
in der Welt – Kroatien verdrängte damit den Geheimtipp Neuseeland nach zwei
Jahren vom Siegertreppchen. Die New York Times riet ihren Lesern vor kurzem,
die Cote d`Azur zu vergessen: „Denn es gibt Kroatien!“. Und das amerikanische
„In Style“-Magazin kürte das Land mit seiner 1.777 Kilometer langen Küste zu
einem der sieben schönsten Reiseziele auf der Erde.
Argumente dafür gibt es viele: Kristallklares Wasser, das die 1.185 Adriainseln
umspült, Nationalparks mit rauschenden Wasserfällen, verträumte Fischerdörfer,
antike Küstenstädte, annehmbare Preise und optimale Segel- und
Jachtbedingungen. Und das gute Gefühl, trotz Touristenboom nur wenig vom
Massentourismus zu spüren – denn klobige Betonburgen wie in Spanien oder
Bulgarien sind die Ausnahme in Kroatien. Vielmehr dominieren Privatunterkünfte
und Appartements, aber auch familiäre kleine Hotels.
Trotz glänzender Übernachtungszahlen prognostizieren Experten jedoch keinen
weiteren Wachstum in den kommenden Jahren – sofern sich Kroatien nicht den
internationalen Entwicklungen im Tourismussektor anpasse. Diese Kritik gilt vor
allem Spa- und Wellnesszentren, die in anderen Ländern längst zur Infrastruktur
gehören, in Kroatien jedoch immer noch als etwas Exotisches gelten. Kritisiert
werden häufig auch mangelhafte Betreuungs- und Animationsangebote für Kinder.
Doch nicht allerorts mangelt es an zündenden Ideen für zeitgemäßen Tourismus:
So rollt derzeit jeden Freitagabend ein Diskozug von der Hauptstadt Zagreb nach
Split. Im „Picigin“ bekommen Gäste für umgerechnet 30 Euro acht Stunden
Diskobeschallung, einen Cocktail und ein Sandwich serviert. Nach 15 Stunden
Aufenthalt in der zweitgrößten kroatischen Stadt Split rollt der Zug am
Samstagabend wieder 400 Kilometer zurück nach Nordwesten. Der Diskozug ist auch
bei ausländischen Gästen angesagt.
Der diesjährige Touristenboom hat jedoch auch seine Schattenseiten: Nie zuvor
verunglückten so viele Gäste tödlich auf Kroatiens Straßen und Gewässern. Bis
Mitte August starben 74 Menschen, darunter am häufigsten Gäste aus Tschechien.
Die Zahl von bislang 15 tschechischen Todesopfern versetzte das
Außenministerium in Prag in Alarmbereitschaft: Per Medien warnt die Behörde nun
ihre Bürger vor den Gefahren an der Küste. Leichtsinn gepaart mit Unkenntnis
über das Klima an der Adria – nach Ansicht von Experten führt dies zu einem
sprunghaften Anstieg von Todesopfern. Erst in diesen Tagen wurde ein
16-jähriger Tscheche in seinem Gummiboot bei Biograd vom Blitz erschlagen – er
hatte sich trotz Sturmwarnung auf offene See begeben.