Woodstock liegt in Polen
Den Beginn dieser Arbeitswoche wird Mareike Meyer wahrscheinlich völlig verschlafen. Denn ein feucht fröhliches Zeltwochenende voller harter Gitarrenriffs und Rock´n Roll stecken der 18-Jährigen in den Knochen. Das Festival „Haltestelle Woodstock“, größtes „Umsonst-und-Draußen“-Ereignis Osteuropas, lockte über 250.000 Fans ins westpolnische Kostzryn (Küstrin) an die Grenze zu Deutschland, darunter schätzungsweise auch 10.000 deutsche Party-Enthusiasten.
Unter dem Motto „Liebe, Freundschaft und Musik“ wurden auf einem ehemaligen Militärgelände hunderte von Zelten und vier Bühnen aufgebaut. Der Boden war dabei stellenweise nach tagelangen Regenfällen so aufgeweicht, dass es Schlammschachten gab wie beim originalen Woodstock-Konzert 1969. Um auch den angereisten deutschen Fans etwas zu bieten, waren in diesem Jahr auf der Hauptbühne unter 28 angekündigten Bands sechs deutsche Gruppen vertreten, darunter die „Toten Hosen“ aus Düsseldorf, „Knorkator“ und die „Beatsteaks“ aus Berlin. Vor allem die Toten Hosen kamen bestens beim polnischen Publikum an, was ausdauernde Pogo-Tänze bewiesen., die selbst der während des Konzertes einsetzende Regen nicht stoppen konnte.
Einen bitteren Nachgeschmack hinterließ allerdings ein Zwischenfall: Der Techniker der Toten Hosen wollte nur sein eigenes Mischpult verwenden und unterbrach - unbemerkt von der Band - die Internet-Live-Verbindung des Festivals, die über die polnische Seite des Veranstalters zu empfangen war. Damit waren 2000 Internetnutzer für fast eine Stunde vom Geschehen abgekapselt. Statt einer Zugabe der Toten Hosen musste deshalb die Technik wieder hergerichtet werden. Campino zeigte sich sehr verärgert über den Fehler seines Technikers und entschuldigte sich bei Jerzy Owsiak, dem polenweit populären Organisator des Festivals, wie dieser auf einer Pressekonferenz mitteilte. Der schuldige Techniker sei umgehend gefeuert worden.
Den deutschen Besuchern gefiel vor allem die Vielfalt des musikalischen Angebots. Auf den insgesamt vier Bühnen wurde über Techno bis zu Reggea und Hip-Hop für jeden Geschmack etwas geboten. Für das Seelenheil sorgte ein starkes Kontingent von Hare-Krishna-Jüngern, die vegetarisches Essen zubereiteten. Außerdem gab es indische Folklore und Gesprächsrunden mit echten Gurus. Einen beträchtlichen Anteil an der guten Stimmung dürfte aber noch mehr dem Preis von 2,50 Zloty (ca. 60 Cent) für den halben Liter Bier zuzuschreiben sein.
Besonders im Hinblick auf das gerade laufende deutsch-polnische Jahr ermöglichte das Festival Völkerverständigung auf die einfachste und bestmöglichste Art. Dass diese Annäherung zischen deutschen und polnischen Jugendlichen keine einmalige Angelegenheit ist, hoffen nicht nur die Veranstalter. Auch Mareike möchte auf jeden Fall im nächsten Jahr wieder auf die „Haltestelle Woodstock“ kommen. „Es ist einfach geil hier!“, so ihr Kommentar nach zwei Party-Tagen. Und vielleicht klappt es im nächsten Jahr dann auch mit einer Zugabe der Toten Hosen.
www.haltestelle-woodstock.de