Polen

Jede fünfte Tankstelle in Polen verkauft gepanschten Treibstoff


Zielona Gora (n-ost) – Mal eben rüber nach Polen zum Tanken. Viele deutsche Autofahrer in der Grenzregion machen das. sollten es sich in Zukunft aber zweimal überlegen: Im Schnitt verkauft jede fünfte Tankstelle in Polen gepanschten Treibstoff. Besonders schlecht ist der Sprit in der polnischen Region Lubuskie an der Grenze zu Deutschland: Dort fiel sogar jede dritte Tankstelle bei Kontrollen negativ auf. Dieses für polnische Autofahrer wenig überraschende Ergebnis ergab eine Studie des polnischen Verbraucherschutzamtes. Zwischen Januar und Ende Juni 2005 ließ das Amt 1000 Tankstellen in ganz Polen überprüfen. Den Negativrekord erzielte dabei eine Tankstelle aus Großpolen (Region Posen), die den Autofahrern ein Benzin mit 95 Prozent Wasseranteil verkaufte.

„Das Auto verlor an Motorstärke, reagierte kaum auf die Bedienung des Gaspedals. Und der Motor blieb bei niedrigen Motordrehungen einfach stehen“, klagt Andrzej Grzyb (42). „Ich musste den Tank auspumpen lassen“, erzählt der polnische Toyota-Fahrer. Grzyb hatte vermutlich bei einer der elf Tankstellen getankt, die allein in der polnischen Grenzregion Lubuskie unter insgesamt 32 Tankstellen als Spritpanscher auffällig geworden sind.

Von den Kontrollen lassen sich die Tankwarte offenbar wenig beeindrucken: Bei 40 Prozent der beanstandeten Tankstellen wurde bei einer zweiten Kontrolle wieder verunreinigter Sprit gefunden. „Staatsanwaltschaft und Gerichte begünstigen solche Praktiken“, meint Cezary Banasinski, Präsident des polnischen Verbraucherschutzamtes. „Die meisten Strafanträge, die der Staatsanwaltschaft gemeldet worden sind, wurden niedergeschlagen. Und auch bei einer Verurteilung bezahlten Tankstellenbesitzer höchstens eine Geldstrafe von 6000 Zloty (1500 Euro), obwohl das Strafgesetzbuch eine Strafe von bis zu fünf Jahren Gefängnis und Geldstrafen von maximal eine Million Zloty vorsieht.“ Die derzeitigen Geldstrafen würden nur einen Bruchteil der Erlöse einer Tankstelle ausmachen und seien deshalb viel zu niedrig, um die Verbraucher vor Betrug zu schützen, meint Banasinski. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft würden oft eingestellt, weil den Betreibern keine Schuld nachgewiesen werden könne. Sie legten Rechnungen vor, nach denen sie nur geprüften Kraftstoff verkauft haben. Auch der Lieferant lehne jede Verantwortung ab.

Bei den Kontrollen der Verbraucherschützer flog unter anderem die Car-Tech Impex-Tankstelle in Leknica, nahe des Grenzübergangs Bad Muskau auf. Hier entsprach der Diesel nicht der DIN-Norm. Der dortige Besitzer will sich nicht dazu äußern, aber ein anderer Tankstellenpächter, der anonym bleiben möchte, gibt Auskunft: Der minderwertige Kraftstoff stamme nicht von renommierten polnischen Herstellern wie Orlen oder Lotos, sondern von dubiosen Händlern. „Aber wir sind dazu gezwungen, andere Lieferanten zu suchen, weil zum Beispiel der Konzern Orlen seinen Kraftstoff über dem durchschnittlichen Tagespreis an Tankstellen verkauft. In Südwestpolen haben wir die niedrigsten Benzinpreise in Polen. Wenn wir uns an dem Markt behaupten wollen, sind wir gezwungen, die billigsten Lieferanten zu nehmen“, begründet ein Tankstellenleiter die mangelhafte Spritqualität. In der Tat ist der Sprit in Warschau bis zu fünf Cent, und in Krakau bis zu vier Cent pro Liter teuerer.

Oft gelangt der billige Kraftstoff illegal nach Polen. „Wir haben an der deutsch-polnischen Grenze zuletzt 14 Tankwagen mit illegalem Kraftstoff angehalten“, erzählt Zollamtsprecherin Mariola Karakiewicz aus Rzepin nahe Frankfurt (Oder). „Die Fahrer konnten weder die erforderlichen Dokumente vorweisen, noch war der Kraftstoff versteuert. Der Sprit kam höchstwahrscheinlich aus europäischen, strategischen Reserven. Aber wir wissen noch nicht genau, wo er verkauft worden ist“. Solche Reserven legt jedes Land und jede Raffinerie aus Sicherheitsgründen an, zum Beispiel für den Kriegsfall. Es ist meist Sprit von minderer Qualität, der für Panzer oder Lkws ausreiche. Da der Kraftstoff in den Tanks von Zeit zu Zeit ausgetauscht werden müsse, kämen diese Reserven zu günstigeren Preisen auf den Markt.

Daneben gibt es viele Möglichkeiten Kraftstoff zu panschen. Die populärste Methode ist Verdünnung. Weil meistens dazu Wasser verwendet wird, wird gepanschter Kraftstoff in Polen auch augenzwinkernd „getaufter“ Kraftstoff genannt. Verunreinigungen können aber auch beim Transport in unsauberen Tankwagen entstehen. Bei den jetzigen Kontrollen wurden meist zu niedrige Oktanzahlen oder ein zu hoher Schwefelgehalt beanstandet. Zu niedrige Oktanzahlen senken die Motorleistung, vor allem beim Start. Zu hoher Schwefelgehalt belastet den Katalysator und die Umwelt.

„Man muss darauf achten, ob das Auto plötzlich mehr verbraucht und aus dem Auspuff Dampf herauskommt, der im Prozess der Verbrennung des Wasser im Motor entstehen kann“, erklärt Wladyslaw Makosinski (50), Automechaniker aus Zielona Gora. Er empfiehlt, bei jedem Tanken den Tageskilometerzähler auf null zu stellen. Wenn man mit vollem Tank weniger Kilometer als sonst erreiche, solle man lieber die Tankstelle wechseln. Generell empfiehlt der Mechaniker, nur bei den großen Ketten zu tanken. Die hätten immerhin einen Ruf zu verlieren.

Auch wer mit Autogas unterwegs ist, ist nicht vor Betrug sicher, denn auch Tankstellen mit schlechter Gasmischung wurden entdeckt. „Man kennt schon genau die Syndrome“, sagt Jan Pawlak(37) aus Zielona Gora. „Der Motor bleibt einfach während der Fahrt stehen und will nicht mehr starten“. Auch das Motoröl in polnischen Autoservicewerkstätten wird verdünnt. Das musste ein niederländischer Mercedesfahrer leidvoll erfahren. Er ließ während seines Aufenthalts in Zielona Gora das Motoröl in seinem Wagen in einer renommierten Servicestation wechseln. „Nach meiner Ankunft in Holland war der Motor nicht mehr zum retten“, erzählt Joop Venhius (55). „Der Grund dafür war verdünntes Öl, sagte mir ein niederländischer Automechaniker.“

Polnische Autofahrer haben längst Strategien entwickelt, um sich und ihre Fahrzeuge zu schützen. Getankt wird nur an der Tankstelle des Vertrauens. Schnell spricht sich rum, wo man gefahrlos tanken kann. Vor allem deutsche Autofahrer, die wegen der niedrigen Spritpreise über die Grenze pendeln, fallen aber immer wieder herein. Auch weil der Austausch über die Grenze hinweg noch immer nicht recht gelingt. Dem Brandenburger Landwirtschaftsministerium beispielsweise liegen bis heute keine Ergebnisse der Untersuchung der polnischen Verbraucherschützer vor.

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