Polnisches Woodstock: Tote Hosen umsonst, Dosenbier billig
Die „Toten Hosen“ für ein Konzert in Polen nur mit Benzingeld zu entlohnen, ist noch billiger als billig. Denn in Polen ist der Sprit etwa ein Drittel preiswerter als in Düsseldorf, der Heimat von Campino und Band, die mit dem eigenen Bus anreisen und an diesem Freitag (5.8.) honorarfrei über die 1200 Quadratmeter große Bühne im polnischen Grenzort Kostrzyn (Küstrin) an der Oder springen werden. Benzingeld und ausreichend Jägermeister, mehr wollen die Hosen nicht für den Auftritt. Die Gänsehaut, vor 200.000 und mehr Menschen auftreten zu können, ist ihnen Lohn genug. Außerdem ist Organisator Jerzy Owsiak ein Kumpel von Campino und die Hosen zählen in Polen (neben Rammstein) zu den beliebtesten deutschen Bands.
Auch die anderen 43 Bands aus Polen, den USA, der Ukraine und Deutschland spielen zum Selbstkostenpreis beim kostenlosen Festival „Przystanek Woodstock“ (Haltestelle Woodstock). Zum selbsternannten „größten Umsonstfestival Europas“ erwartet Owsiak selbstbewusst bis zu 400.000 Fans. Dank Bands wie den Toten Hosen, den Beatsteaks und Knorkator will er diesmal auch eine stattliche Zahl deutscher Fans in die polnische Provinz locken. Owsiak ist in Polen fast so populär und beliebt, wie der verstorbene Papst. Hauptberuflich ist er Chef der Stiftung „Großes Orchester für die weihnachtliche Hilfe“, die seit zwölf Jahren Geld für Kinderkrankenhäuser sammelt. Die „Haltestelle Woodstock“ begann als Belohnung für die vielen hundert Helfer der Sammelaktion, mittlerweile ist daraus das größte Festival Osteuropas geworden. „Hosen“-Gitarrist Kuddel schwärmt heute noch über den ersten Auftritt der Band beim „Woodstock“ vor drei Jahren: „Das ist eine absolut einzigartige Atmosphäre dort, wie sie kein anderes Festival hat“, außerdem seien der Band die ausländischen Fans sehr wichtig. Völkerverständigung und so. Kuddel ist so begeistert vom polnischen „Woodstock“, dass er seine Familie überzeugt hat nachzukommen – auf eigene Spritkosten.
Die „Haltestelle Woodstock“ gastiert am fünften und sechsten August zum zweiten Mal in Kostrzyn, wo die Veranstalter zwei Bühnen in den Sand eines ehemaligen Truppenübungsplatzes setzen. Dazu gibt es die übliche Festivallogistik mit Waschplätzen und Imbissständen – aber ohne Dosenpfand, Zäunen, Eintritt und zugewiesenen Zeltplätzen – Camping und Parken ist umsonst. In der kleinbürgerlichen Grenzstadt mit 16.000 Einwohnern herrschte im vergangenen Jahr eine groteske Atmosphäre; etwa so als hätte jemand die mit fröhlichen bunt bemalten Fußballfans voll besetzte Münchener Allianzarena über der ostbayerischen Provinz ausgekippt. „Wir leben von der liebevollen Atmosphäre“, sagt Owsiak: Es begegnen sich barfüßige Menschen mit Blumen im Haar und Ersthelfer müssen sich um Wespenstiche kümmern statt um ausgeschlagene Zähne. Es gibt keinen Sicherheitsdienst, sondern ehrenamtliche Helfer.
Die Zahl der Besucher schätzten die Veranstalter vor einem Jahr bereits auf 400.000, was ein bisschen hochgegriffen war. Aus Deutschland kamen zur ersten „Haltestelle Woodstock“ an der Grenze nur ein paar Tausend, und das, obwohl Berlin nur eine gute Zugstunde entfernt, das Konzert umsonst und die Grillwürste preiswert sind. „Weil Woodstock sich nicht herumgesprochen hatte“, vermutet Jens Lawrenz vom Jugendbüro im nahen Seelow in Brandenburg. Daher spricht er es in diesem Jahr rum in Deutschland - mit einer deutschen Internetseite, die auch sieben deutsche Bands ankündigt. Woodstock ist Rock, Punk, Reggae, Ska, „deshalb lassen wir keinen Vergleich mit der Loveparade zu, die 80 Kilometer weiter westlich gestorben ist. Jerzy Owsiak „Bei uns geht es viel entspannter zu“.
www.haltestelle-woodstock.de