Polen

Polen fliegen aus Deutschland


GORZOW (n-ost) – Für Katarzyna und Pawel Kubicki beginnt der Weg zum weißen Strand von Elefanossi mit einer Reise nach Deutschland: Für ihren Flug nach Kreta sind die beiden Polen zunächst 524 Kilometer gefahren – zum Abflugort Hannover. „Bei dem Flugpreis von 99 Euro hat sich die Fahrt dort hin gelohnt“, sagt Mathelehrer Kubicki, der die beiden Kretaflüge kurzfristig - last minute - im Internet bei einer deutschen Reiseagentur gebucht hat. Und so wie die beiden Kretaurlauber, fliegen nun viele Polen aus Deutschland.

„Bei uns hat sich die Zahl der polnischen Passagiere seit der Osterweiterung mehr als verdoppelt“, sagt Eberhard Elie, Pressesprecher der grenznahen Berliner Flughäfen Schönefeld und Tegel. 170 000 Buchungen – und die Zahl steige weiterhin steil an. „Im Osten liegen die Wachstumsmärkte, sagt Elie auch mit Hinweis auf die Flugziele von Berlin aus nach Poznan und Krakow. Vor allem die so genannten Billigflieger wie Easyjet oder Ryanair sind bei den polnischen Nachbarn beliebt: Seit dem 1. Mai vergangenen Jahres fliegen diese auch nach Osteuropa, von wo sie zusätzlich als Zubringer genutzt werden: Auch nach Frankfurt/Hahn oder Dortmund.

In der Berlin-Schönefelder Abflughalle wartet Jacek Marszalek aus Sulecin in der Woiwodschaft Lubuskie auf seinen Bruder Adam. „Der kommt aus London zurück“. Adam Marszalek arbeitet seit dem vergangenen Jahr in Schottland – als Kellner, wie viele Polen. Das ist legal, wegen der europäischen Arbeitnehmerfreizügigkeit, die für sie im Nachbarland Deutschland begrenzt ist. Großbritannien, Irland und einige andere EU-Länder dagegen erlauben schon jetzt den polnischen EU-Kollegen die Arbeitsaufnahme. 400 000 Polen sollen auf diese Weise bereits ihr Geld im „alten Europa“ verdienen. Und die meisten pendeln durch Deutschland zwischen ihren Arbeitsstätten und der Heimat.

„Großbritannien, Irland, Spanien – da wollen die meisten hin, sagt Marita Brok im Reisebüro „Top“ im polnischen Gorzow, 150 Kilometer östlich von Berlin-Schönefeld. Für 7,50 Euro Gebühr und Barzahlung für das Ticket bucht sie sogar mit der deutschen Kreditkarte vom Chef die Tickets der Billigflieger. „Viele unserer Kunden machen aber auch eine richtige Urlaubsreise“. Zum Beispiel nach Gran Canaria oder in die Dominikanische Republik. „Das sind die Urlaubsziele, die stark von Polen nachgefragt werden“, bestätigt Flughafensprecher Elie in Berlin. Marita Brok schickt aber auch Kunden nach Sachsen: „Leipzig ist als Abflugort ebenfalls beliebt“. Zu beiden Abflugorten bietet ihr Reisebüro einen kostenlosen Fahrdienst im Minibus an, von dem die Flughäfen offiziell gar nichts wissen.

„Bei uns stehen jetzt in der Sommerzeit viele Autos mit polnischen Nummerschildern auf dem Parkplatz“, sagt Uwe Schuhart, Sprecher des Flughafens Leipzig/Halle. Die Zahl der polnischen Passagiere kann er nicht beziffern, „aber sicher werden es immer mehr“. So haben, ähnlich wie in Berlin, auch in Sachsen die Nachbarn zum Anstieg der Passagierzahlen beigetragen. Im letzten Halbjahr lag dort der Zuwachs bei fünfeinhalb Prozent. Auch der Flughafen Dresden profitiert von diesem Trend. Dort stieg die Zahl der Passagiere im Linienverkehr um 18,5 Prozent, „Ursachen dafür ist der Boom im Low-Cost Segment“ heißt es in der aktuellen Halbjahresbilanz des Flughafens. Bereits die Internetseite präsentiert sich in Dresden auf Polnisch – und auch auf Tschechisch.

Wie Berlin, liegt auch Dresden weniger als eine Autostunde von der polnischen Grenze. Am bequemsten ist es für die Polen der grenznahen Gebiete, sich in Grenzstädten wie Görlitz oder Guben beraten zu lassen und dort ihre Reisen auch zu buchen. Viele lokale Reisebüros werben längst mit polnischen Aushängen. „Polen sind ein wichtiger Teil unserer Kundschaft“, heißt es beispielsweise im Reisebüro des berühmten Görlitzer Jugendstilkaufhaus von Karstadt. Geschätzt würde von den Polen insbesondere die gute Organisation der Reisen, die Rechtssicherheit und der Preis, der oft günstiger sei als in Polen selbst.

Die Berliner Flughäfen sind noch einen Schritt weiter gegangen und haben sich Vertragspartner in polnischen Reisebüros gesucht, die mit einem Rundschreiben in polnischer Sprache aus Berlin auf dem Laufenden gehalten werden. „Für uns hört das Einzugsgebiet nicht an der polnischen Grenze auf, dieser gesamte Wirtschaftsraum dahinter, bis nach Poznan und rauf an die Ostsee gehört dazu“, sagt Flughafensprecher Elie und redet von Marketingaktionen in den Städten Szczecin und Poznan, wo es im übrigen den nächst größeren Verkehrsflughafen in Polen gibt. „Aber von dort sind die Flüge meistens teurer als von Deutschland“, sagt Reisebürofrau Marita Brok in Gorzow.

Genau deswegen haben sich auch Katarzyna und Pawel Kubick für Hannover und das 99-Euro-Ticket der Linie „Hamburg International“ entschieden. Denn fast zeitgleich steuert auch eine Maschine aus Poznan die Insel Kreta an.

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