"Ich bin überzeugt, dass der Urnengang ehrlich abläuft"
Kurmanbek Bakijew ist einer der Führer der kirgisischen Tulpenrevolution, die vor drei Monaten die Herrschaft des wegen Korruption verrufenen Präsidenten Askar Akajew beendete. Nach der Flucht Akajews nach Moskau wurde Bakijew zum Interims-Präsidenten bestimmt. Er gilt damit als Favorit für die Präsidentschaftswahlen am 10. Juli. Bisher hat sich die Lage in Kirgistan kaum stabilisiert - immer wieder werden Unruhen aus der Hauptstadt Bischkek gemeldet, die auch mit dem Wahlkampf in Verbindung stehen. Es gab Proteste gegen Entscheidungen der Wahlkommission, verschiedene Kandidaten nicht zur Präsidentschaftswahl zuzulassen. Im Gespräch mit unserem Korrespondenten Ulrich Heyden äußert sich Bakijew zur schwierigen Lage in Kirgisien und zu seinen Zielen als künftiger Präsident.
Herr Bakijew, was sind die Errungenschaften der Tulpenrevolution?
Bakijew: Es war eine kirgisische Revolution. Die Kirgisen sind von alters her ein freiheitsliebendes Volk, sie haben die Prinzipien der Demokratie immer geachtet. Die kirgisische Revolution brachte vor allem wirkliche Freiheit, nicht in Worten, sondern in der Praxis, die Freiheit der Medien, die Freiheit, dass die Menschen das sagen können, was sie denken, ohne dafür verfolgt zu werden.
Wie wollen Sie ehrliche Wahlen organisieren, deren Resultate von allen Gruppen der Gesellschaft anerkannt werden?
Bakijew: Wir bereiten die Wahlen in Zusammenarbeit mit der OSZE und anderen internationalen Organisationen vor. Ich bin überzeugt, dass der Urnengang ehrlich ablaufen wird, weil es keine Manipulationen von Regierungsseite geben wird. Die vergangenen Parlamentswahlen haben gezeigt,
wohin solche Manipulationen führen. Aber es gibt da leider so eine eingefahrene Mentalität: Einige regionale Verwaltungen und Bezirksleiter werden wohl versuchen, mir einen Bärendienst zu erweisen, indem sie den Leuten sagen, los, mach es so, wähle Bakijew. Das bringt mir aber nur Nachteile.
Glauben Sie, dass diese Leute Ihnen bewusst schaden wollen?
Bakijew: Dass sind Leute, die mir vorwerfen wollen, dass ich meine Macht missbrauche. Ich glaube nicht, dass es viele sein werden. Das politische Bewusstein der Bürger ist heute sehr stark, auch in der Provinz.
Was werden Ihre ersten Schritte sein, wenn sie am 10. Juli zum Präsidenten gewählt werden?
Bakijew: Zunächst werde ich mit dem Parlament zusammen eine neue Regierung bilden. Wichtig ist der Kampf gegen die Korruption. Zu den weiteren Aufgaben gehört die Vorbereitung eines neuen Steuer-Kodex, der das Wirtschaftswachstum anregen soll.
Nach dem Machtwechsel in Georgien gelang es den dortigen Steuerbehörden, Millionenbeträge an Steuerschulden einzutreiben. Gibt es in Kirgisien ähnliche Erfolge?
Bakijew: Bis heute wurden dem Staatshaushalt mit Hilfe der Generalstaatsanwaltschaft 53 Millionen Som (eine Million Euro) zugeführt. Das sind Steuerschulden oder Geld, das dem Staatshaushalt entwendet wurde. Staatsbeamte wurden vor die Wahl gestellt, entwendete Gelder zurück zu erstatten oder im Gefängnis zu landen. Außerdem wurden dem Staatshaushalt vom Zoll und den Steuerbehörden zusätzliche Mittel in Höhe von 179 Millionen Som (3,5 Millonen Euro) zugeführt. Der Kampf gegen die Korruption führt zu Resultaten.
Besteht die Gefahr, dass Anhänger des Ex-Präsidenten Akajew im Parlament die Demokratisierung Kirgisiens blockieren?
Bakijew: Diese Gefahr existiert. Frühere Minister versuchen, unsere Arbeit zu stören. Aber diese Kräfte sind nicht in der Lage, ernste Schritte einzuleiten.
Wie beurteilen Sie Askar Akajews Wunsch, nach Kirgisien zurückzukehren?
Bakijew: Es wäre nicht sinnvoll, wenn Akajew jetzt zurückkehrte. Das Volk würde das nicht verstehen.
Wie werden Sie sich gegenüber Akajews Anhängern verhalten?
Bakijew: Unter den Beamten aus Akajews Umfeld gibt es nicht wenige gute Spezialisten. Kirgisien braucht diese Leute, und wenn sie bereit sind, ihrem Land ehrlich zu dienen, werde ich sie unterstützen.
Was behindert heute das Wirtschaftswachstum und die Schaffung neuer Arbeitsplätze?
Bakijew: Kirgisien gehört zu den korruptesten Ländern der Welt, auf der internationalen Rangliste stehen wir auf Platz 102. Auch das Armutsniveau ist sehr hoch. Diese Faktoren haben bislang den
Wirtschaftsaufschwung verhindert.
Nach dem Massaker von Andischan wird darüber diskutiert, ob die Stabilität in der GUS eher von Demokratiedefiziten und Armut bedroht wird oder von islamistischem Extremismus. Was glauben Sie?
Bakijew: Ich würde nicht sagen, dass der religiöse Extremismus Kirgisien bedroht. Die Kirgisen sind nicht so gottesfürchtige Menschen wie vielfach angenommen. Es gibt jedoch einzelne Problemfelder im Süden des Landes, es gibt die religiöse Organisation Hizb-ut Tahrir. Sie stellt heute aber keine ernste Gefahr dar. Wenn wir unsere wirtschaftlichen Probleme lösen, werden diese Spannungen verschwinden.
In Kirgisien halten sich seit dem Massaker von Andischan 482 Flüchtlinge aus Usbekistan auf. Werden sie als politische Flüchtlinge anerkannt?
Bakijew: Kirgisien ist Mitglied mehrerer internationaler Organisationen. Wir sind verpflichtet, internationale Vereinbarungen zu erfüllen. Auf der anderen Seite ist Usbekistan unser Nachbar, mit dem wir vielseitige Beziehungen unterhalten. Eine unter UN-Aufsicht arbeitende kirgisisch-usbekische Kommission muss nun eine Entscheidung treffen. Die usbekische Seite sagt, das zwölf Personen, die aus dem Gefängnis geflohen sind, besonders gefährliche Verbrecher sind. Wenn das stimmt, wird die Kommission möglicherweise über ihre Rückführung beraten.
In jüngster Zeit hieß es in der Presse, Kirgisien sei daran interessiert, dass das russische Truppenkontingent im Lande verstärkt wird. Stimmt das?
Bakijew: Ich halte es nicht für nötig, ein zusätzliches russisches Kontingent zu stationieren. Kirgisien ist ein unabhängiger, souveräner Staat. Wir unterstützen den Kampf gegen den internationalen Terrorismus. In diesem Rahmen wurde die Militärbasis der Vereinigten Staaten in Gansi eingerichtet. Wir wollen keine zusätzlichen militärischen Kräfte hier stationieren, weder russische noch amerikanische.
Wie würden sie reagieren, wenn sich die Lage in der Region verschärft?
Bakijew: Selbst wenn die Notwendigkeit entstehen sollte, zusätzliche Kräfte zu stationieren - was ich nicht annehme -, dann wird es sich nicht um gewöhnliche Verbände handeln, sondern um Sondereinheiten zum Kampf gegen Terroristen.
In der Presse hieß es auch, China wolle Militärbasen in Kirgisien einrichten.
Bakijew: China ist unser großer Nachbar, und wir sind an gutnachbarschaftlichen Beziehungen interessiert. Die Einrichtung chinesischer Militärbasen in unserem Land halten wir nicht für notwendig. Aber eine Zusammenarbeit auf humanitärem Gebiet schließen wir nicht aus.