Weg mit den Nullen
Cluj-Napoca/Bukarest (n-ost) Millionäre zu sein, war in Rumänien bislang eine relativ leichte Übung: Die starke Inflation in den vergangenen 15 Jahren hat den Wert des rumänischen Leu (Plural: Lei) in den Keller und die Zahl der Nullen auf den Geldscheinen weit nach oben getrieben. Rumänien ist das letzte Land in Europa, das auf seinen Geldscheinen in Millionenhöhe vorstößt. Ein kleines Brot beispielsweise kostet beim Bäcker derzeit noch 10.000 Lei (etwa 30 Euro-Cent). Bald ist Schluss mit dem heiteren Nullsummenspiel: Am 1. Juli kommt in Rumänien eine neue Währung auf den Markt, der neue rumänische Leu (RON = Romanian New Leu), der vier Nullen weniger haben wird, als die derzeitige Währung. Dann machen auch Münzen wieder Sinn und sogar die Untereinheit „Bani“ kommt zu neuen Ehren.
Mit dem Motto „Alles wird vereinfacht“ wirbt die Nationalbank Rumäniens für die Geldreform. Trotzdem sind nach aktuellen Umfragen immer noch 23 Prozent der Bevölkerung gegen die Reform. „Ich will den neuen Leu nicht, weil ich dann nicht mehr Millionär bin und nicht mehr so vieles kaufen kann. Sicher wird dann wieder alles teurer!“, ärgert sich Stefan Pop (24) aus der siebenbürgischen Stadt Klausenburg (Cluj-Napoca). Wie er fürchten viele Rumänen, dass die Händler bei der Währungsumstellung die Preise aufrunden und beipielsweise aus 35.000 alten Lei, also 3,5 neuen Lei, einfach vier neue Lei machen.
Es gibt aber auch positive Meinungen: „Der neue Leu ist willkommen. Irgendwie konnte ich mich nie an das Geld nach 1989 gewöhnen, mit Hunderten von Tausenden und Millionen Lei“, sagt die 60-jährige Marta Botond. Wollte man in der Vergangenheit beispielsweise eine Drei-Zimmer-Wohnung für umgerechnet 40.000 Euro erwerben, musste der Käufer bei Barzahlung gleich ganze Plastiktüten oder Koffer voller Scheine mit sich herumtragen, schließlich sind Bankkarten für viele Rumänen noch ein selten gesehenes Kuriosum.
Nicht zuletzt deshalb, hat der Euro in den vergangenen Jahren vielen Rumänen als eine Art Parallelwährung gedient. Vor allem wenn es um Mieten oder Kredite geht, denken und rechnen die Rumänen in Euro. Durch Preise wie im Kommunismus, als Preise für Güter noch ein- und zweistellig waren und man mit vier Lei ein Brot erhielt, sollen die Leute wieder Vertrauen in die rumänische Währung gewinnen. Banken hoffen, dass die nationale Währung auch bei Devisenhändlern wieder gefragt sein wird.
Die Einführung des neuen Leu soll zudem den erhofften Beitritt zum Euro-Raum erleichtern, der etwa nach 2012 erfolgen soll. Die neuen Scheine orientieren sich dazu bereits an der Größe der Euroscheine, um etwa den Umstellungsprozess bei Geldautomaten zu vereinfachen. Vor allem aber erhofft sich die Regierung von der Währungsreform eine psychologische Wirkung: Der neue Leu soll Stabilität ausstrahlen und die Inflation bremsen.
Durch das Streichen von vier Nullen wird der Umrechnungsprozess im Gegensatz etwa zur Einführung des Euro in Deutschland vor drei Jahren für die Rumänen relativ problemlos über die Bühne gehen. Aus 10.000 alten Lei wird ab dem 1. Juli ein neuer Leu. Alle Preise, Gebühren, Steuern werden einfach durch 10.000 dividiert. Auch der Wechselkurs des neuen Leu zum Euro und Dollar wird nach diesem Muster bestimmt. So kostet ein Euro statt 36.095 alter Lei nunmehr 3,6095 neue Lei. Der Wert des Dollars liegt dann aktuell bei 2,9687 RON.
Für den Durchschnittsbürger hat die Geldreform bereits am 1. März begonnen. Seither sind in den rumänischen Geschäften alle Preise doppelt in alten und neuen Lei ausgezeichnet. Mit einer Informationskampagne versucht die Regierung die Bürger an die Änderung zu gewöhnen. Zur Vereinfachung werden Grafik und Farbe der alten Lei-Scheine beibehalten. Der Ein-Leu-Schein wird so groß sein wie ein 5-Euro-Schein. Auch bei den anderen Scheinen gibt es diese Anlehnung an den Euro. Eine Neuheit ist der 500-Lei-Schein (im Wert von rund 140 Euro, oder 200 USD), der sich als einziger nicht an den früheren rumänischen Geldscheinen orientiert.
Ebenfalls neu ist die Wiedereinführung kleiner Münzwerte (ein Ban bzw. mehrere Bani). Bislang war eine 100 Lei-Münze das kleinste verfügbare Geldstück. Aber auch diese wurde schon seit Jahren nicht mehr verwendet. Die neuen rumänischen Münzen sind allerdings nicht identisch mit den Dimensionen von Euro und Cent, um ihren Gebrauch in Automaten im Ausland zu verhindern.
Nach der Integration Rumäniens in die EU, voraussichtlich 2007, solle der Euro etwa zwischen 2012 und 2014 eingeführt werden, hofft der Gouverneur der Rumänischen Nationalbank, Mugur Isarescu. Dafür muss Rumänien aber noch gewaltige Schritte unternehmen, um die Bedingungen der EU zu erfüllen. Als erste Maßnahme will Isarescu die Inflation, die 2004 noch bei 11,9 Prozent lag, bis zum Jahr 2007 auf unter drei Prozent senken. „Die Erfahrung anderer Länder zeigt, dass dort, wo die makroökonomischen Bedingungen erfüllt wurden, die Inflation nach der Währungsumstellung gesunken ist“, hofft der Gouverneur der Nationalbank auf einen positiven Effekt.
Für den Übergang zum RON werden die Banken am 30. Juni und 1. Juli geschlossen, die Geldautomaten funktionieren nicht, alle Auszahlungen erfolgen an diesen Tagen in Bargeld. Die Börse wird fünf Tage lang still gelegt. Ab Montag, dem 4. Juli, soll das Geldsystem in Rumänien dann wieder funktionieren.
Seit 1989 sind in Rumänien die Geldscheine insgesamt viermal geändert worden, der neue Lei ist nun bereits die fünfte Variante der nationalen Währung. Die alten Lei können noch bis Ende 2006 parallel zum neuen Leu verwendet werden. Alle Banken tauschen Geldscheine zudem kostenlos um.
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