Blaues Wunder an der polnischer Tankstelle
Osinów Dolny (n-ost) - Im warmen polnischen Sand, gleich am Ostufer der Oder wehen wie selbstverständlich vier blaue Aralfahnen, die schon aus dem Teuerspritland Deutschland zu sehen sind. Dazwischen spannt sich eine blaue Stahlkonstruktion, unter der Tankwarte mit blauen Aralanzügen ("Keine Selbstbedienung") deutsche Autos betanken. Die stehen Schlange für den billigen Sprit im Nachbarland, denn pünktlich zum Ferienanfang sind in Deutschland die Benzinpreise wieder auf ein Jahreshoch geklettert. Die Autokennzeichen verraten den großen Einzugsbereich der Tankstelle: Neubrandenburger, Prenzlauer, sogar Berliner stehen hier in der Schlange. Deutschlands Nordosten tankt in Osinów Dolny. Der ganze Ort lebt von Tank- und Einkaufstouristen. Außer Tankstellen gibt es hier noch einen großen Basar, einige Frisörläden und so genannte Begleitagenturen. Ansonsten nur Wald und Bäume.
"Es gibt gar keine Aral-Tankstellen in Polen", sagt Detlef Brandenburg verwundert. Er ist Pressesprecher des Aral-Konzerns mit Sitz in Bochum, weit weg von der polnischen Grenze. Und dann macht er eine lange Pause. Es fällt das Wort Betrug. "Das ist eine Irreführung der Kunden. Es kann ja nicht sein, dass in Polen unter der Marke Aral irgendein Kraftstoff verkauft wird und dabei der Anschein erweckt wird, als handele sich dabei um unser Produkt." Weniger überrascht zeigt sich einer der Tankwarte auf Nachfrage: "Das ist doch ein alter Trick, die Deutschen tanken hier, weil sie Aral von zu Hause kennen. So sind sie halt". Und dann verweist er darauf, dass man schließlich auch Aral Motoröl verkaufe, nur dafür sei die Werbung mit dem blauen Aral-Diamanten. Dieses Argument reicht dem Aral-Konzern in Bochum nicht, weil eine Verkaufsstelle für Motoröl noch lange keine Markentankstelle ist.
Währenddessen lassen sich die Deutschen auch nebenan, beim "Frisör Kilier" in Osniów Dolny, die Haare schneiden. Weil es billiger ist. Vielleicht auch, weil sie den "Frisör Klier" kennen. Denn Deutschlands größter Systemfrisör hat auch in Schwedt (Kreis Uckermark), nicht weit von hier, eine Filiale, eine von tausend. In Polen hat er keine.
An der Freien Tankstelle im Aral-Dress denken die meisten deutschen Kunden, dass sie deutschen Aralkraftstoff tanken. Das ergibt eine kleine Umfrage unter einigen Kunden, die schnell von drei schwarz-gekleideten Sicherheitskräften beendet wird. Eine Mann aus Eberswalde (Brandenburg): "Ich fahre hierher, weil das Aral ist. Bei einer freien Tankstelle würde ich nicht tanken. Aber so fühle ich mich verarscht, weil ja Aral dran steht, und weil es blau und weiß ist, das ist ja das typische Aral, was es in Deutschland gibt". Auch die europaweit gültige "Aral Card Europe" funktioniert hier nicht, nur Barzahlung. Auf Wunsch gibt es dann nach einigem Zögern eine handgeschriebene Quittung mit dem Stempel "Poltank".
Jetzt will einer der Deutschen wissen, ob denn der Sprit auch aus der heimischen Erdölraffinerie PCK (früher Petro Chemisches Kombinat) in Schwedt stammt. Viele Tanktouristen aus Ostdeutschland wollen das Schwedter Traditionsunternehmen trotz ihrer Tankflucht unterstützen. Denn es ist bekannt, dass den großen Namen Shell und BP/Aral gemeinsam 75 Prozent des PCK gehören. Und das bedeutet rund 2000 Arbeitsplätze in einer strukturschwachen Region. Woher der freie Sprit aus Osinów Dolny kommt, bleibt unklar.
In der nächsten Grenzstadt südlich von hier, in Kostrzyn (Küstrin, wurde gerade eine neue BP-Tankstelle eröffnet, sie ist echt. Hier wird auch die Aral-Kundenkarte akzeptiert, weil BP und Aral seit 2002 auch in Polen ein Konzern sind. Wieder südlich, in Slubice bei Frankfurt/Oder, heißt die beliebteste Tankstelle auch Aral: Der Sprit kommt in diesem Fall aber ordnungsgemäß aus einem BP-Tanklaster, und das BP-Logo prangt auf der Tankquittung. Der Rest ist noch blau. Früher oder später wird diese Tankstelle auch in eine BP-Tankstelle umgewandelt. Das hier noch Aral steht, hängt hier allein mit dem schleppenden Umstellungsprozess zusammen.
Die Tankstelle in Osinów Dolny aber gehört definitiv weder zu BP noch war hier früher einmal eine Aral-Tankstelle, wie eine Nachfrage bei BP-Polska ergibt. Es handelt sich eindeutig um Markenpiraten, die vermutlich die allgemeine Umrüstung der Aral-Tankstellen in Polen nutzten, um sich mit dem nötigen Outfit zu versorgen. Ihnen droht nun eine Klage des mächtigen BP/Aral-Konzerns: "Wenn so etwas in Deutschland vorkommt, klagen wir sofort", heißt es in Bochum, wo man nun genau nach Polen schauen will. Wahrscheinlich wird die gefälschte Araltankstelle von Osinów Dolny zu einem echten Testfall der Gerichtsbarkeit zwischen Deutschland und dem neuen EU-Nachbarn Polen.
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