Polen

Leichenplastinator gibt auf


Von n-ost-Korrespondentin Anna Sprycha (E-Mail: AnnaSprycha@op.pl, Tel.: (+49)604284030)

Sienawia Zarska (n-ost). Die Pläne des deutschen Leichenplastinators Gunther von Hagens, im westpolnischen Ort Sieniawa Zarska Lagerhallen für seine weltweit umstrittene Ausstellung „Körperwelten“ zu nutzen, sind endgültig gescheitert. Von Hagens gab bekannt, er wolle alle im vergangenen Jahr erworbenen Immobilien wieder verkaufen.

Seit Beginn der Planungen für das Vorhaben, in Polen einen Standort für seine Leichenplastination aufbauen zu wollen, schlug ihm eine Welle des Protestes entgegen. Als Gerüchte die Runde machten, von Hagens wolle in Sieniawa Leichenteile von Menschen und Tieren plastinieren und für den internationalen Versand vorbereiten, empörten sich die polnischen Medien. Vergleiche mit Methoden der Nazis in Auschwitz wurden gezogen. In Nachrichtensendungen berichteten Dorfbewohner, sie würden sich gruseln vor dem Deutschen und seinen Geschäftsideen. Als dann von Hagens 89-jähriger Vater Gerhard Liebchen, der in Sieniawa die Geschäfte führte, im März vom „Spiegel“ als ehemaliger SS-Mann enttarnt wird, sah man in Polen die schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Liebchen hat sich zwar inzwischen zurückgezogen, gegen ihn ermittelt aber weiterhin die polnische Staatsanwaltschaft wegen möglicher Teilnahme am Völkermord.

Bereits vor zwei Wochen gab von Hagens bekannt, er wolle seine Fabrikanlage lediglich als Lagerhalle nutzen, auf die Bearbeitung der toten Körper aber wolle er verzichten. Doch auch damit war die Sache nicht erledigt.

Sieniawas Gemeindevorsteherin Krystyna Korzeniowska drohte mit Demonstrationen, „wenn der Deutsche nicht von hier verschwindet“. Auch Gemeindebürgermeistersekretär Andrzej Chwiedacz stellte sich quer: „In Polen haben wir einen sehr stark entwickelten Respekt vor dem Tod. Diese Fabrik wird nie akzeptiert werden. Ich habe mir zwar gewünscht, dass unsere Gemeinde weltbekannt wird, aber doch nicht auf Grund von so etwas!“

Nun ermittelt die polnische Staatsanwaltschaft auch gegen Gunther von Hagens. „Laut Paragraph 262 Strafgesetzbuch steht der menschliche Leichnam und der Ort seiner Bestattung unter besonderem Schutz“, sagt der Bezirksstaatsanwalt Jan Wojtysiak aus Zielona Gora. „Im polnischen Gesetz sind Möglichkeiten der Leichenpräparierung nicht vorgesehen.“

Am Ende resigniert von Hagens: „Ich muss ganz klar sagen, ich habe mich geirrt. In 100 Jahren, wenn ich selbst ein Exponat sein werde, bin ich mir sicher, dann wird es auch in Polen ein Museum für meine Exponate geben. Ich bin eine Generation zu früh hierher gekommen.“ Auch persönliche Gespräche mit den Dorfbewohnern konnten nicht mehr vermitteln helfen. Der Plastinator verkündete nun seinen kompletten Rückzug. Wo er statt dessen künftig die umstrittenen Leichenteile bearbeiten will, ist noch nicht bekannt.


*** Ende ***

Foto von Hagens bei der Einwohnerversammlung in Sieniawa: Den Hut trage ich als Zeichen für die Fortsetzung der Renaissancetradition wie Dr.Tulp aus dem Rembrandgemälde „Anatomieunterricht von Dr. Tulp“.

Foto Fabrik: Als ich vor 9 Monaten dieses heruntergehende Gebäude gesehen habe, habe ich in mir einen Pioniergeist gespürt – sagte von Hagens zu seiner Entscheidung diese Fabrik in polnischem Sieniawa zu kaufen.


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