Polen

„Ich habe nichts Böses getan“

Zielona Gora (n-ost) – Ist der in Polen enttarnte Papst-Spitzel ohne sein Wissen von einem Geheimagenten abgeschöpft worden? Glaubte er gar, Informationen nicht an polnische Kommunisten sondern an westdeutsche Stellen weiterzugeben? Die erste öffentliche Erklärung des als „Geheimagent in Soutane“ bezeichneten Priesters Konrad Stanisław Hejmo wirft neue Fragen auf und verweist auf eine Spur, die nach Deutschland führt.

Das polnische Institut für das Nationale Gedenken (IPN), vergleichbar mit der deutschen Gauck-Behörde, hatte Ende April den Dominikanerpater als kommunistischen Agenten enttarnt, der das Umfeld von Papst Johannes Paul II. in Rom ausspioniert habe. Über 700 Seiten mit Geheimdienstberichten habe Hejmo, der für Radio Vatikan arbeitete und dann die polnischen Pilger in Rom betreute, unter den Tarnnamen „Hejnal“ und „Dominik“ verfasst. Ein Spitzel in Soutane? Polen, ja die ganze katholische Welt war schockiert.

Nach einem Monat selbst auferlegten Schweigens, äußerte sich der angebliche Papst-Spitzel nun erstmals öffentlich, und die Einlassungen erinnern frappierend an deutsche Politiker kurz nach ihrer Enttarnung durch die Stasiunterlagen-Behörde. Priester Hejmo bestreitet hartnäckig, dass er wissentlich Agent des kommunistischen Geheimdiensts gewesen ist. Zudem sei es nie seine Absicht gewesen, Menschen oder der Kirche zu schaden. „Ich habe nichts Böses getan.“ Die Berichte, die im Archiv des Instituts für Nationales Gedenken aufgetaucht seien, habe jemand in seinem Namen verfasst. Zudem handele es sich nur um einfache Gespräche über Alltagsthemen. Diese Aussagen enthielten keine Geheimnisse, sie seien höchstens Beweise für seine Redeseligkeit und sein Vertrauen in andere Menschen. Nie habe er Geld von Sicherheitsdiensten angenommen.

Seine öffentliche Anklage nennt Pater Hejmo einen Schauprozess. „Für mich ist das ein unheimlicher Schock, und vor allem schmerzhaft. Was irgendwann einmal war, irgendwelche Sachen, die nicht geklärt sind, sind unverhältnismäßig im Vergleich zu meiner Arbeit, meiner Hingabe, meinem ganzen Leben.“ Ein treuer Priester als Opfer einer Rufmordkampagne?

Die Akten des kommunistischen Sicherheitsdienstes, die das Institut für Nationales Gedenken besitzt und die nun in Teilen ebenfalls öffentlich gemacht wurden, erzählen eine andere Geschichte: Demnach hat der Dominikaner von 1975 bis 1988 mit dem Geheimdienst des kommunistischen Polen zusammengearbeitet. Die Kontaktperson von Pater Hejmo in Rom habe sich ihm als westdeutscher Agent vorgestellt. Nach der Interpretation des Instituts für das Nationale Gedenken könnte es sich tatsächlich um einen ehemaligen Agenten des Bundesnachrichtendienstes gehandelt haben, den der polnische Geheimdienst gewonnen hatte. Am Anfang habe der Dominikaner für gelieferte Informationen über hohe polnische Kirchenwürdenträger teure Spirituosen von dem „Deutschen“ erhalten. Später sei dann Geld geflossen. Ingesamt sollen es in den 13 Jahren der Zusammenarbeit 19.355 D-Mark gewesen sein. Quittungen mit der Unterschrift des Priesters lägen vor. Zudem gebe es Akten, nach denen der Priester auch direkten Kontakt mit dem polnischen Geheimdienst gehabt habe. Der Geheimdienstmitarbeiter Wacław Głowacki habe ihn mehrfach getroffen, ihm einen Auslandspass besorgt und ebenfalls Alkoholika überreicht. Der Dominikaner sei für den kommunistischen Geheimdienst die wichtigste Informationsquelle über das Innenleben der polnischen Kirche und den Vatikan gewesen, meinen die Institutshistoriker.

Pater Hejmo bestätigt nur die Verbindung mit einem polnischstämmigen Deutschen. „Das war ein Pole der in Deutschland gelebt hat. Er sagte, er arbeite für den deutschen Episkopat und wolle den Polen in Deutschland helfen“, erzählte der Priester über seinen Kontaktmann. Dass er für seine Redseligkeit bezahlt wurde, bestreitet er.

Das polnische Magazin „Nie“ berichtet, dass es sich bei dem dubiosen Doppelagenten, der als „Andrzej M.“ oder „Lakar“ bezeichnet wird, um einen Polen mit Wohnsitz Köln gehandelt habe, der für das westdeutsche Innenministerium und für den polnischen Geheimdienst gearbeitet habe. Er soll nach seiner Geheimdienstzeit auf einen hohen Posten in einer deutschen Bank versetzt worden sein. Später sei er nach Polen emigriert, wo er unter dem Pseudonym „Joachim Pelz“ Artikel geschrieben habe. Der Mann sei 1995 an Krebs gestorben.

Der ehemalige Sicherheitsdienstoffizier des polnischen Geheimdienstes Głowacki, erklärte im polnischen Fernsehen, dass der Kontakt zu dem Priester in Rom tatsächlich über einen „deutschen“ Mittelsmann gelaufen sei. Über seine direkten Begegnungen mit dem Priester hüllte er sich in Schweigen. „Das was jetzt passiert, ist das Herumfummeln in Exkrementen, in menschlichen Lebensläufen“, kritisierte Głowacki.

Der Dominikanerorden in Polen hat nach der Aufdeckung der brisanten Akten Hejmo vom Kirchendienst suspendiert. Höchstwahrscheinlich wird der Dominikaner einstweilen in ein Kloster in Italien delegiert. Der Präses des Instituts für Nationales Gedenken, Leon Kieres, wollte die Erklärung Hejmos nicht kommentieren. „Ich will keine öffentliche Polemik mit dem Dominikaner anfangen“, sagte Kieres.

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