Extrakasse für die Schiris der Ekstraklasse
Von Christoph Ruf und Olaf Sundermeyer (olsu@rbb-online.de)
WARSZAWA. Als Antoni F. in dem verabredeten Waldstück bei Kielce die 100.000 Zloty (25.000 Euro) im Kofferraum des schwarzen Mercedes erblickte, ahnte er nicht, dass dies der Preis für seine Hauptrolle im größten Korruptionsskandal des polnischen Fußballs sein würde. Der Schiedsrichter hatte gerade zwei Spiele der Ektraklasse, der ersten polnischen Liga, verkauft, dummerweise an einen Lockvogel. Offensichtlich aufgeschreckt durch die Skandalmeldungen aus dem Nachbarland Deutschland hat sich nun auch die polnische Polizei dem Thema Korruption im Sport angenommen.
Seit vergangener Woche sitzt der Schiedsrichter in U-Haft, gemeinsam mit Marian D., dem Vorsitzenden der Schiedsrichtersektion in Schlesien. „Damit wurde der Verdacht bestätigt, der schon lange gegen diese beiden Personen existierte“, sagt Dariusz Tuzimek, Fußballexperte der polnischen Sportzeitung „Przeglad Sportowy“ (Sportrundschau). Julia Pitera, die polnische Vorsitzende der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International, will bereits vor vier Jahren konkrete Hinweise auf die Verschiebereien in der Ekstraklasse gehabt haben. „Jedes Kind in Polen weiß, dass der Fußball hier korrupt ist“, sagt Redakteur Tuzimek. Besonders in dieser Saison habe es verdächtig viele Fehlentscheidungen gegeben. Er hofft, dass mit dem Verfahren gegen Antoni F. und Marian D. nun der Anfang für eine Abrechnung gemacht ist: Korruption, Vetternwirtschaft, rechte Parolen und gewaltsame Hooligans prägen seit Jahren das schlechte Image der polnischen „Ekstraklasse“.
Das bedauert auch Andrzej Rudy, der einst in Deutschland beim 1. FC Köln spielte und jüngst als Trainer des Oberligisten Bonner SC entlassen wurde: „Der polnische Fußball hat sich bis heute nicht vom Ende des Sozialismus erholt.“ Die Vereine bluteten aus; mancher Klub habe sich von unseriösen Geschäftsleuten in den Bankrott führen lassen. „Die Clubs haben einfach kein professionelles Management“, sagt Sportredakteur Tuzimek. „So wie beim PZPN, unserem polnischen Fußballverband“. Dem geben sämtliche Zeitungen in Polen eine Mitschuld am Skandal.
Sportlich bewegt sich die Ekstraklasse auf dem Niveau einer Regionalliga; wirtschaftlich auf dem einer Kreissparkasse . Die Ligamatches werden nur im Bezahlfernsehen von Canalplus übertragen, dem die Abonnenten fehlen. Durchschnittlich 12,9 Millionen Zloty (etwa 3,2 Millionen Euro) beträgt der Etat eines polnischen Erstligisten. Lediglich Wisla Krakau, das – wie im vergangenen Jahr – vorzeitig Meister wurde, kann finanziell größere Sprünge machen. Doch international spielt auch der Serienmeister keine Rolle: „Die Leute zehren noch heute von den guten Weltmeisterschaften 1974 und 1978“, sagt Rudy. Deutsche Nationalspieler wie Miroslaw Klose und Lukas Podolski, beide aus Polen stammend, werden da zu Hoffnungsträgern: „Die Polen sind sehr stolz. Für sie ist Podolski Pole.“
Und dann sind da noch die rechten Schläger: In keinem europäischen Land ist die Hooliganszene so von Rechtsradikalen dominiert wie in Polen, wo die Vereine Cracovia Kraków, Legia Warszawa und Górnik Zabrze als Hooligan-Hochburgen gelten. Rechtsterroristische Organisationen wie „Combat 18“ oder „Blood and Honour“ geben den Ton in den Fankurven vor
Frauen, Familien oder linke Fans bleiben den Spielen eher fern, mehr als 3.000 Zuschauer kommen so selten bei Spielen der Ekstraklasse zusammen. Dennoch will Polen im Sommer seine offizielle Bewerbung für die Europameisterschaft 2012 abgeben. Sieben Stadien werden neu gebaut, oder aufwändig ausgebaut. „Die Nationalmannschaft ist unsere große Hoffnung“, sagt Dariusz Tumizek. Dort spielen Legionäre wie Jerzy Dudek (Liverpool), Jacek Krzynowek (Leverkusen) oder Ebi Smolarek (Dortmund), die derzeit sogar Chancen haben, sich für die Weltmeisterschaft in Deutschland zu qualifizieren.
Spätestens dann sollten sich deutsche und polnische Polizisten zum Erfahrungsaustausch treffen. Thema: Der beste Umgang mit Hooligans und korrupten Schiedsrichtern.
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