Im Sonderzug nach Hirschberg
Hirschberger Tal (n-ost)- Das Hirschberger Tal liegt südlich der Stadt Hirschberg (Jelenia Gora) im äußersten Südwesten Polens. Bis nach Deutschland sind es nur wenige Kilometer, der eindrucksvolle Kamm des Riesengebirges mit der Schneekoppe liegt ebenfalls ganz nahe. Hier, in der Welt des Berggeistes, befindet sich eine einmalige im 18. Jahrhundert angelegte Schloss- und Parklandschaft.
Elisabeth von Küster schwärmt für diese einmalige Landschaft. „Naturschutzparks” gibt es schon lange. Für das Hirschberger Tal hat sie sich das Konzept eines „Kulturschutzparks” ausgedacht, mit dem sie das Tal, seine Natur- und Kulturschätze unter Schutz stellen und gleichzeitig für Touristen vermarkten will. „Für diese strukturschwache Region wäre das ein Segen”, meint die lebenslustige Deutsche.
Es ist nicht die erste Vision, die sie im heute polnischen Schlesien zu verwirklichen versucht. Als sie und ihr Mann 1991 das Schloss Lomnitz, den ehemaligen Familienbesitz, von der polnischen Treuhand kaufte, erwarben sie fast eine Ruine. „Mein Mann und ich studierten damals noch in Berlin und hatten kaum Geld”, erklärt Elisabeth von Küster. „Wir sind dann so oft wie möglich mit Freunden im Schlepptau und Baumaterial im Gepäck nach Lomnitz gefahren und haben hier gegen den Verfall gearbeitet. Das war unglaublich anstrengend aber auch sehr romantisch.”
Im Jahr 1995 war endlich das Dach fertig und damit das Schloss gerettet. Im gleichen Jahr konnte die Familie mit finanzieller Hilfe des „Vereins zur Pflege Schlesischer Kunst und Kultur” das benachbarte und besser erhaltene Witwenschlösschen kaufen und restaurieren. Schon zwei Jahre später nahm im ersten Stock das Kulturzentrum des Vereins seine Arbeit auf, während im Erdgeschoß ein Restaurant eingerichtet wurde. „Zu Beginn hielten uns die Dorfbewohner für nette Spinner, die einem Traum nachjagen”, erzählt Elisabeth von Küster mit lachenden Augen. Auch Skepsis sei ihnen von polnischer Seite entgegen geschlagen, schließlich waren da Deutsche in einer ehemals deutschen Landschaft am Werk. „Jetzt sind sie alle Feuer und Flamme für das Projekt Lomnitz”, freut sich die Schlossbesitzerin. Das liegt sicherlich auch daran, dass Schloss Lomnitz ein wichtiger Arbeitgeber geworden ist und alle Angestellten aus den Dörfern der Umgebung kommen.
Doch dies soll erst der Anfang sein. Nicht einzelne, wieder aufgebaute Schlösser, nein, ein ganzer „Kulturschutzpark Hirschberger Tal” soll entstehen. Dass das Tal ein wenig großspurig das Loire-Tal Polens genannt wird, liegt an seiner vergleichbar hohen Dichte von Schlösser und Herrenhäuser. Auf einer Fläche von 70 Quadratmetern sind 32 Kleinode der Gotik und des Jugendstils zu finden. Karl Friedrich Schinkel hat hier für die königliche Hohenzollern-Familie gebaut, der Landschaftsgestalter Peter Joseph Lenné die Wälder gezähmt und in Verbindung mit der Schlossarchitektur eine strukturierte Kulturlandschaft geschaffen, die heute noch in Ansätzen zu bewundern ist. Die meisten der Schlossanlagen sind jedoch in einem sehr schlechten Zustand und müssten erst aufwendig restauriert werden.
Das Beispiel Lomnitz hat Investoren angelockt. Auch andersnorts wird erfolgreich saniert, beispielsweise das Schloss Schildau. Der danebenliegende Palast Paulinum ist schon fertig. Hier ist es der Pole Piotr Naperala, der investiert und mit dem örtlichen Denkmalschutzamt eng kooperiert. Die Konturen einer einmaligen Tourismuslandschaft zeichnen sich ab.
Deutsche und Polen kämpfen dabei gemeinsam: „Durch die staatliche Einordnung als Kulturschutzpark würde der Erhalt der Baudenkmäler oberste Priorität erhalten und die Möglichkeit, hässliche Hotel- oder Industrieanlagen zu errichten, wäre von vornherein ausgeschlossen”, erklärt Wojciech Kapalczynski, der Direktor der Denkmalpflege im Hirschberger Tal und Verbündeter der Familie von Küster. Durch die Idee des „Kulturschutzparks” könnten vielleicht auch die noch fehlenden Investitionen in das Tal gelockt werden. Eines Tages würde dann wieder das einmalige architektonische Flair des 19. Jahrhunderts durch das enge Tal wehen und den Gästen einen Hauch von Aristokratie im Schlossambiente vermitteln.
Doch aller Anfang ist schwer. Im Landratsamt Hirschberg geht es erst einmal um so einfach Dinge wie das Aufstellen von Straßen- und Informationsschilder und das Ausbessern der Straßen. Auch die Bahnanbindung der Region ist mangelhaft. Bis Kriegsende gab es eine direkte Zugverbindung von Berlin nach Hirschberg. Heute muss man mit dem Zug nach Görlitz fahren, dann umständlich auf die polnische Seite nach Zgorelec wechseln, um schließlich mit dem Bus nach Hirschberg zu gelangen. „Die Schlösser sind Privateigentum und gehören somit nicht in den Zuständigkeitsbereich der Stadt, erklärt Tourismusexperte Jan Dzierzba im Landratsamt Hirschberg, was Schlossbesitzer Napierala auf die Palme bringt. „Wir schaffen doch Arbeitsplätze und spülen damit Steuern in die Stadtkasse.“ An einen Kulturschutzpark glaubt Napierala deshalb nicht so recht: „Mich würde es schon freuen, wenn die Stadtverwaltung auf unsere Wünsche, zum Beispiel bezüglich der Verkehrsanbindung und Ausschilderung einginge.“
Elisabeth von Küster will jedoch nicht aufgeben: „Ich habe mich in den letzten 14 Jahren nicht nur in die Gegend hier verliebt, sondern auch die Menschen in mein Herz geschlossen. Und ich möchte unseren Gästen den Reichtum dieser Region einfach gern weitervermitteln. Darum bin ich hier.” In den nächsten Monaten will sie weitere Verbündete um sich scharen. Und wer ihr ins Gesicht schaut, der ist sicher, dass sie ihre Vision vom „Kulturschutzpark” eines Tages verwirklichen wird.
Ende