Skandale um Premier sprengen Prager Koalition
Prag (n-ost) – Die Koalitionsregierung in Prag ist zerbrochen. Am Donnerstag traten die drei Minister der mitregierenden christlich-demokratischen Union (KDU-CSL) von ihren Ämtern zurück. Dazu hatte sie am Vortag eine Delegiertenkonferenz der KDU-CSL aufgefordert. Am heutigen Freitag muss sich der sozialdemokratische Premier Stanislav Gross (CSSD) im Parlament einem Misstrauensvotum stellen. Die Abgeordneten der Christdemokraten wollen dabei geschlossen gegen den skandalumwitterten Premier stimmen.
Unabhängig vom dritten Koalitionspartner, den Liberalen, hat Gross damit seine Mehrheit im Parlament verloren. Das Misstrauensvotum kann der Premier trotzdem überstehen, wenn die Altkommunisten (KSCM) ihn unterstützen. Mit ihrer Hilfe könnte die CSSD auch eine Minderheitsregierung führen, bis zu regulären Wahlen im Juni 2006. Darauf scheint Gross zu hoffen.
Allerdings hat die CSSD auf dem jüngsten Parteitag ihren Beschluss erneuert, auf Regierungsebene nicht mit den Kommunisten zu koalieren. Diesen Beschluss haben nach der Wende 1989 alle demokratischen Parteien gefasst. Die tschechischen Kommunisten stellen sich bis heute gegen die kritische Aufarbeitung ihrer Vergangenheit. Ließe sich Gross nun aber von den Kommunisten tolerieren, käme dies in den Augen vieler Tschechen einem Wortbruch gleich. Ein neuer Höhepunkt in der sein Monaten schwelenden Regierungskrise in Prag wäre erreicht. Es wird damit gerechnet, dass sich die Kommunisten die einmalige Chance, indirekt die Geschicke des Landes mitzugestalten, nicht entgehen lassen und am Freitag für Gross stimmen.
Der 35-jährige Gross war erst im Sommer 2004 anstelle des glücklosen Sozialdemokraten Vladimir Spindla Premierminister geworden. Die Christdemokraten hatten in den letzten Wochen bereits mehrfach angedroht, das Bündnis mit den Sozialdemokraten und den Liberalen zu verlassen, falls Gross nicht seinen Hut nehme. Doch die Drohung verfehlte ihre Wirkung: Die CSSD erteilte der Rücktrittsforderung zuletzt auf ihrem Parteitag am Wochenende in Brno eine klare Absage. Sie wählte Gross erneut zum Parteivorsitzenden. Der Vorsprung zu seinem Gegenkandidaten, Arbeitsminister Zdenek Skromach, war allerdings knapp.
Premier Gross steht seit Ende Januar im Kreuzfeuer der Kritik. Ein Grund ist die undurchsichtige Finanzierung seiner Eigentumswohnung. Hinzu kommen Gerüchte über unsaubere Immobilien-Geschäfte seiner Frau Sarka Grossova.
Die Eigentumswohnung des Ehepaars Gross im noblen Prager Stadtteil Barrandov kostete weit mehr, als der damals noch als Vize-Parlamentschef amtierende Gross verdient haben konnte. Das rechnete die Tageszeitung „Mlada Fronta Dnes“ im Januar vor. Seitdem verstrickte sich der Premier in Widersprüche, wenn er die Finanzierung seiner Wohnung zu erklären suchte. Letztlich hatte ihm wohl sein Onkel Geld geliehen, dass dieser sich wiederum geliehen hatte. Der Wechsel, der die Transaktion belegen könnte, sei allerdings verbrannt worden.
Auch die Vorwürfe gegen Premiersgattin Sarka Grossova, die sich in Baugeschäften engagiert hatte, sind noch nicht geklärt. Medien berichteten, gegen ihre Geschäftspartnerin liefen Ermittlungen wegen Versicherungsbetrugs und dem Besitz eines Nachtclubs. Das war zu viel für die Christdemokraten. Deren Parteichef Miroslav Kalousek klagte, die finanziellen Verwicklungen des Ehepaars Gross schadeten dem Ansehen der Tschechischen Republik. Zusätzlich unterstellte er, das Immobilien-Projekt der Frauen stehe im Zusammenhang mit dem Nachtclub. Er vermutete öffentlich, es handle sich um Geldwäsche.
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Thorsten Herdickerhoff