Kroatien

Die Rückkehr der Ikonen

Friedvoll blickt die Heilige Familie, im Kreis von Sankt Hieronymus, auf den jungen Johannes den Täufer hinab. Das Altarbild in der Franziskanerkirche im südkroatischen Slano wirkt, als habe es schon immer zwischen den beiden Steinsäulen gehangen. Der Betrachter mag kaum ahnen, dass das Kunstwerk eine jahrelange Odysee hinter sich hat. Das 1879 vom kroatischen Maler Celestin Medović geschaffene Werk war im jüngsten Kroatien-Krieg (1991-1995) nach Montenegro gebracht worden. Von dort aus gelangte es illegal nach Nordserbien, wo es schließlich den Fahndern von Interpol in die Hände fiel. Erst vor wenigen Wochen kehrte das zwischenzeitlich restaurierte Bild wieder in die Kirche von Slano zurück.

Dieses Schicksal teilen jedoch nicht alle Kunstgegenstände, die seit dem Kroatien-Krieg vermisst werden: Einige wurden noch während der Kämpfe unwiederbringlich zerstört, andere werden auf dem internationalen Schwarzmarkt vermutet. Widerum andere befinden sich noch in den Archiven der serbisch-orthodoxen Kirche, in Museen oder staatlichen Restaurationswerkstätten in Serbien, wo sie erneuert werden.

Um die Rückgabe kümmert sich eine Kommission aus serbischen und kroatischen Experten, die auf staatlicher Ebene erstmals vor sieben Jahren zusammen gekommen war. Trotz einiger Fortschritte, gibt es jedoch noch viel zu tun: Kroatien hat bislang zwar bereits 25.205 Kunstgegenstände zurück erhalten, so die offiziellen Angaben des Kulturministeriums in Zagreb – doch immer noch werden 24.843 Objekte vermisst. Darunter befinden sich auch 3.000 Sakralgegenstände.

Bis Jahresende soll nun eine endgültige Liste erstellt werden, welche Kulturgüter in den Museen und Kirchen noch vermisst werden. „Wir erwarten dabei allerdings keine neuen Wunder“, erklärt Branka Šulc vom Kulturministerium in Zagreb. Sie leitet die gemeinsame Kommission zur Rückgabe von Kulturgütern auf kroatischer Seite. Man gehe von höchstens 2.000 Objekten aus, die sich offiziell noch in Serbien befänden. Dabei distanziert sich Šulc jedoch ein wenig: Sie jongliere nicht gerne mit solchen Zahlen, ebenso wenig wie mit dem Wert der vermissten Kunstgegenstände. „Manche haben herausragende Bedeutung, andere sind nur für die lokale Gemeinschaft wichtig“, sagt die Expertin. Wenn eine kleine Kirche einen Sakralgegenstand vermisse, könne der Gottesdienst-Ritus nicht vollständig eingehalten werden. Und das sei nicht gut für das Volk, so Branka Šulc.

Mehr als 500 Kirchen aller Konfessionen wurden während des Krieges in Kroatien zerstört oder beschädigt. Dabei sei es schwer zu sagen, ob die Sakralgegenstände gemeinsam mit den Kirchen abgebrannt seien oder geplündert wurden, sagt Branka Šulc. Die meisten verschollenen Objekte stammen aus unmittelbar umkämpften Gebieten – wie etwa den Küstenregionen Zadar, Šibenik, aber auch aus dem Hinterland, der Krajina, die traditionell von zahlreichen Serben besiedelt war. So vermisst man im Stadtmuseum von Knin bis heute 500 wertvolle Münzen und Metallgegenstände. Und im Museum von Drniš, unweit von Šibenik, sind bis heute 40 Skulpturen und Bilder des wohl berühmtesten kroatischen Bildhauers Ivan Meštrović nicht wieder zurückgekehrt.

Die meisten Evakuierungen aus Museen, Galerien und Kirchen musste vermutlich die Kleinstadt Vukovar im Osten des Landes hinnehmen, die im Krieg fast dem Erdboden gleich gemacht wurde. Trotz der Rückgabe mehrere Tausend Bücher aus der Bibliothek Franziskanerklosters gilt noch ein beträchtlicher Teil als verschollen. Die Werke stammen teils noch aus dem 17. Jahrhundert.

Eine lange Reise haben auch gut 6.000 Exponate aus dem kroatischen Holocaust-Memorialmuseum in Jasenovac hinter sich. Sie gelangten im Kroatien-Krieg zunächst über die Grenze ins bosnisch-serbische Banja Luka und von dort aus mit Hilfe der US-Botschaft ins Holocaust-Museum nach Washington. Nach ihrer Restaurierung wurden die Objekte vor fast neun Jahren schließlich wieder Kroatien zurückgegeben.

Bei der Evakuierung seien allerdings immer wieder Kunstgegenstände abhanden gekommen, die später auf dem illegalen Markt aufgetaucht seien, räumt Branka Šulc ein. Vieles sei von Priestern, in Zusammenarbeit mit der jugoslawischen Volksarmee JNA, in Sicherheit gebracht worden. Eine Anzahl dieser Objekte werde seit Jahren in Serbien restauriert. Ein Rücktransport, ohne die erforderlichen Arbeiten, sei unterdessen nicht möglich. Die Dynamik der Rückgabe hänge jedoch nicht nur von der Restaurierung ab, sondern auch von den Bedingungen in den Stätten, in die die Güter zurückkehren sollen, so Branka Šulc.

Ein Großteil der Kulturgüter, der während des Krieges aus Kroatien evakuiert worden sei, befinde sich in schlechtem Zustand. Dies sei allerdings nicht auf die Kriegshandlungen, sondern vielmehr auf die jahrelange Vernachlässigung und schlechten Lagerungsbedingungen zurückzuführen, erklärt Zoran Vapa, Leiter der regionalen Denkmalschutzbehörde der serbischen Autonomen Provinz Vojvodina.

Doch auch im Nachbarland Bosnien-Herzegowina sucht man bis heute nach Kunstgegenständen. 180 Gotteshäuser der serbisch-orthodoxen Kirche wurden dort im Bosnien-Krieg (1992-195) zerstört. Darin befanden sich auch Ikonen und andere Sakralobjekte. Viele Schatzkammern der serbisch-orthodoxen Kirchen seien allerdings bereits vor Kriegsausbruch evakuiert worden, erklärt Lidija Mičić, Direktorin des Instituts für Denkmalschutz in der föderalen Entität Bosnien-Herzegowinas. Was die beweglichen Kulturgüter im föderativen Landesteil Bosnien-Herzegowinas betreffe, so seien viele zerstört oder gestohlen worden oder einfach „verschwunden“, so Mičić.

In Montenegro werden unterdessen keine Kunstgegenstände aus Kroatien mehr vermutet – zumindest nicht in öffentlichen Einrichtungen, sagt die kroatische Kunstexpertin Šulc. Vor sieben Jahren habe man einen Aufruf in den montenegrinischen Zeitungen geschaltet, dass sich Besitzer und Museen melden sollten, die im Besitz von verschollenen Kunstgegenständen aus Kroatien seien. Es gab jedoch keine Resonanz. Die vermisssten Werke befänden sich vermutlich schon außerhalb Montenegros, schätzt Šulc. Doch so genau wisse das vermutlich niemand.


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