Attentat auf Präsident des Kosovo
Der Präsident des Kosovo, Ibrahim Rugova, ist am Dienstagmorgen knapp einem Anschlag entkommen. Als sein Auto eine Straße im Zentrum der Hauptstadt Pristina passierte, explodierte ein Sprengsatz. Rugova soll nach Uno-Angaben unverletzt geblieben sein. Er befand sich auf dem Weg zum EU-Außenbeauftragten Javier Solana, der derzeit zu Gesprächen im Kosovo weilt.
Erst am Wochenende waren zwei kleinere Sprengsätze vor dem UNO-Hauptquartier in Pristina explodiert. Die Zwischenfälle stehen vermutlich im Zusammenhang mit der Verhaftung des Kosovarischen Premierministers Ramush Haradinaj. Das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat Anklage gegen Haradinaj erhoben. Dieser war vor einer Woche zurückgetreten und hatte sich freiwillig den Behörden in Den Haag gestellt. Haradinaj wird von seinen albanischen Landsleuten als Freiheitsheld im Kampf um die Unabhängigkeit des Kosovo verehrt. Daher waren Unruhen befürchtet worden.
Den Haag beschuldigt den Albaner Haradinaj, als „einer der Hauptanführer der UCK“ für eine Reihe von Kriegsverbrechen verantwortlich zu sein. Unter seiner Führung soll die albanische Befreiungsbewegung UCK in der Zeit der Balkankriege Ende der 90er Jahre Menschen misshandelt, ermordet und vergewaltigt haben. Ziel Haradinajs sei es gewesen, den westlichen Teil des Kosovo von Serben zu säubern. Die Anklageschrift wirft Haradinaj insgesamt 17 Fällen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Zudem soll er in 20 Fällen das Kriegsrecht verletzt haben.
Haradinaj, der erst im Dezember 2004 gewählt wurde und den die UNO nach Aussagen eines ihrer Sprecher als „dynamischen Premierminister“ zu schätzen lernte, weist alle Anklagepunkte von sich. „Ich bin unschuldig,“ bekräftigte er in einer Rede kurz vor seinem Abflug nach Den Haag. Die Anklage gegen ihn sei nur ein Handel, der mit Serbien gemacht worden sei, damit dortige Kriegsverbrecher nach Den Haag ausgeliefert würden.
Die Anklage gegen Haradinaj ist ein Grund dafür, dass die NATO, die die Friedensmission für den Kosovo (KFOR) von Brüssel aus koordiniert, die Zahl der im Kosovo stationierten Soldaten aufstockt. Ein anderer Grund ist der Jahrestag der schweren ethnischen Ausschreitungen vom 16. März 2004, bei denen albanische Extremisten serbische Siedlungen angriffen, 29 Kirchen und über 600 Häuser zerstörten. 19 Menschen kamen bei den schwersten Unruhen seit Kriegsende ums Leben. Die KFOR-Truppen waren von der Gewalteskalation völlig überrascht worden. Vor allem dem deutschen KFOR-Kontingent wurden damals schwere Vorwürfe gemacht.
Seit dem Wochenende kommen insgesamt 500 britische und 600 deutsche Soldaten zusätzlich in das Kosovo. Offiziell nehmen die Soldaten vom 17. bis 27. März an einer Übung teil. Wann die Kräfte wieder abgezogen werden, steht nach NATO-Angaben jedoch noch nicht fest. Bislang waren 2700 Bundeswehrsoldaten dauerhaft im Kosovo stationiert. Insgesamt zählt die Schutztruppe über 17.000 Soldaten.
Der Europarat, der sich mit dem noch ungeklärten zukünftigen Status der ehemals zu Jugoslawien gehörenden, vornehmlich von Albanern bewohnten Provinz Kosovo beschäftigt, hat den Anschlag auf Rugova scharf verurteilt. Der Generalsekretär des Europarates, Terry Davis, rief alle Völker des Kosovo auf, gemeinsam eine demokratische Zukunft aufzubauen.
Über die Urheber des Attentatsversuchs und der Anschläge auf das UNO-Hauptquartier ist bislang nichts bekannt.