Lila Flaggen statt Nelken und Strumpfhosen
Warschau (n-ost) – „Wir sind stark – gemeinsam sind wir stärker“ lautet das Motto der diesjährigen Kundgebung zum Internationalen Frauentag am 8. März in Warschau. „Wehrlos? Nie wieder!“, heißt es in Posen. Und die drei Ostseestädte Danzig, Gdingen und Zoppot rufen „Die Dreistadt der freien Frauen“ aus. Zum Weltfrauentag zeigt sich die Frauenbewegung in Polen mit möglichst öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen auf den Strassen und Plätzen aller größeren Städte des Landes.
Auf den Internetseiten des Fraueninformationszentrums OSKa (Ośrodek Informacji Środowisk Kobiecych) wird seit geraumer Zeit auf alle Veranstaltungen hingewiesen. Obwohl der Internationale Frauentag im kommunistischen Polen bis 1989 einen hohen Stellenwert genoss, sind Demonstrationen etwas grundlegend Neues: Es gibt sie erst seit dem Jahr 2000. Damals waren es nur ein paar Dutzend Frauen, die in Warschau auf die Straße gingen. „Es geht um die Diskriminierung von Frauen“, war auf ihren Flugblättern zu lesen. Vier Jahre später nahmen immerhin schon über 3000 Frauen an den Demonstrationen zum Weltfrauentag teil. In diesem Jahr wird mit einem neuen Rekord gerechnet.
Die Geschichte des Internationale Frauentages reicht bis zum 19. März 1911 zurück. Damals forderten Frauen in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA Frieden, Gleichberechtigung und das Frauenwahlrecht. Zehn Jahre später wurde der 8. März als fixes Datum eingeführt. Damit sollte den Streiks von Textilarbeiterinnen gedacht werden, die an diesem Datum in New York im Jahre 1857 und in Petersburg anno 1917 zum Fanal des Kampfes von Frauen für bessere Arbeitsbedingungen geworden waren.
In Deutschland wurde der Internationale Frauentag im Dritten Reich verboten und der damaligen Ideologie von der Frau als Gebärmaschine gemäß durch den Muttertag ersetzt. Nach dem Krieg führten die DDR und alle anderen Staaten des Ostblocks den Feiertag wieder ein. Offiziell und staatlich verordnet sollte nun der Befreiung der Frau gedacht werden.
Für eine echte Diskussion über die Position der Frauen in der Gesellschaft war aber kein Platz. Stattdessen wurden Nelken und Strumpfhosen verschenkt, so erinnern sich die älteren Anhängerinnen der Frauenbewegung in Polen. Und so ist nicht nur die Popularität von Nelken, sondern auch die des Frauentag an sich im heutigen Polen eher gering. Zu stark haftet an ihm noch der Geruch alter kommunistischer Zeiten.
Die Kundgebungen zum Internationalen Frauentag sollen diesen Ruf verändern. Und das auch mit Veranstaltungen, in die Frauenbewegung ihrem Anliegen eine heitere Note verleihen, wie der groß angekündigten Preisverleihung.
„Die Bezeichnung „OSKARy 2004“ ist natürlich eher lustig gemeint“, sagt Joanna Piotrowska, bei OSKa zuständig für die Preisausschreibung. „Wir wollen Aufmerksamkeit auf die Personen in Polen lenken, die für den Feminismus Flagge zeigen, die sich tagtäglich für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzen.“ Und weil es OSKa mit der Gleichberechtigung ernst ist, wird zu diesem Anlass sowohl einer Frau als auch einem Mann der Preis verliehen.
Nominiert sind sieben Männer und zehn Frauen, wer die Auszeichnungen erhält, wird bis zur Preisverleihung am Abend des Weltfrauentages geheim gehalten. Per Abstimmung im Internet wurden aber schon Publikumspreise vergeben. Sie gehen an Marek Borowski, einen Sejmabgeordneten und Mitbegründer der neuen Sozialdemokratischen Partei SdPl, und an Joanna Senyszyn, die für die postkommunistische Partei SLD im Sejm sitzt. Beide sind für ihren Einsatz für die Liberalisierung des Abtreibungsrechtes bekannt.
Neben der Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und Gewalt gegen Frauen sind die Themen Abtreibung, Sexualaufklärung und Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln das wichtigste Anliegen von Frauengruppen in Polen. Das restriktive Abtreibungsrecht gilt als Initialzünder der gesamten Bewegung nach dem Zusammenbruch des Kommunismus 1989. Auf Betreiben der katholischen Kirche und mit Stimmen der Postkommunisten wurde das Abtreibungsgesetz 1993 so verschärft, dass Schwangerschaftsabbrüche so gut wie nicht mehr erlaubt sind. Nur in wenigen Fällen, etwa wenn die Schwangerschaft auf eine Vergewaltigung zurückgeht, oder wenn pränatale Untersuchungen eine schwere Behinderung des ungeborenen Kindes feststellen, ist ein Schwangerschaftsabbruch legal. In der Praxis weigern Gynäkologen sich jedoch oft, Abtreibungen aufgrund dieser Indikationen durchzuführen.
Vor 1993 wurden Abtreibungen noch ohne große Hindernisse zugelassen. Eine Rückkehr in diese Zeiten wollen aber auch die Feministinnen nicht. „Abtreibungen waren erlaubt, gleichzeitig gab es aber so gut wie keine Verhütungsmittel. In der Generation meiner Mutter hat ein Großteil der Frauen mindestens einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich“, schätzt Anna Czerwinska von OSKa. Das Problem der Verhütung ist heutzutage nicht mehr ganz so drastisch. Trotzdem sei die Situation immer noch schlecht. Sexualerziehung in der Schule finde, wenn überhaupt, nur in den oberen Klassen statt und damit zu spät. Zudem seien Verhütungsmittel teuer und es gebe immer noch Gynäkologen, die sich weigerten die Pille zu verschreiben.
Auch die UN-Menschenrechtskommission beklagt in ihrem Menschenrechtsbericht Polen vom November vergangenen Jahres den mangelnden Zugang zu Informationen über Familienplanung und die unzureichende Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln. „In den nächsten 5 Jahren wird sich an der jetzigen Lage wohl kaum etwas ändern“, so die pessimistische Einschätzung von Anna Czerwinska.
Aber vielleicht setzt die OSKAR-Verleihung ja etwas in Bewegung. Wie bei einer richtigen Oskarverleihung wird es auch eine Statue als Preis geben: „Sie ist der Venus von Willendorf nachgebildet, die genau das Gegenteil des Hollywood-Oskars darstellt, weil sie nämlich klein und dick ist, nicht groß und schlank“, lacht Piotrowska.
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