Polen

Streit um ein deutsches Haus im polnischen Kurort Zoppot


von Katarzyna Tuszynska (E-Mail: tuszyna@wp.pl, Tel.:0048-601-77 05 04)

Danzig / Zoppot(n-ost). Eigentlich ging es nur um die Suche nach dem rechtmäßigen Besitzer des Hauses Haffnerstraße 38 im polnischen Kurort Zoppot (Sopot). Doch das Thema ist derzeit belastend wie kein anders für das deutsch-polnische Verhältnis. Wieder einmal geht die Angst um, polnische Mieter könnten von deutschen Vorbesitzern ihrer Häuser reihenweise auf die Straße gesetzt werden. Polnische Medien messen einem spektakulären Gerichtsurteil Signalwirkung für unzählige weitere Prozesse zu.

Bereits vor der Gerichtsverhandlung in Danzig peitschten die Emotionen hoch. Vor einem großen Aufgebot polnischer Medienvertreter verbrannten Polen demonstrativ ein Bild der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach in SS-Uniform. „Wir wollen uns nur verteidigen“, erklärte dazu die Vorsitzende der „Polnischen Treuhand“ Dorota Arciszewska – Mielewczyk. Dass Erika Steinbach sich in Deutschland mehrfach von der Preußischen Treuhand und deren Aktivitäten distanziert hat, wird in Polen schlicht übersehen. Hier gilt die BdV-Präsidentin seit ihrem Vorschlag, ein Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin zu gründen, quasi als Mutter alles Bösen.

Ähnlich undifferenziert wird nun auch das Gerichtsverfahren um die Haffnerstrasse 38 betrachtet. Anfang der 90er Jahre wollten die Bewohner ihr Haus dem polnischen Staat abkaufen. Dabei stellte sich heraus, dass das Gebäude einer gewissen Matylda Bigott gehörte.

Die, so viel ist unstrittig, hat Polen im Jahre 1956 Richtung Deutschland verlassen, wurde deutsche Staatsbürgerin. Ihr Erbe Brunon Bigott strengte das Verfahren auf Rückübertragung vor dem Danziger Gericht an. Und nun wird es kompliziert: Nach Angaben von Brunon Bigott war seine Mutter polnische Staatsbürgerin, als sie Polen verließ. Daher sei die Konfiszierung ihres Eigentums unrechtmäßig. Dieser Argumentation schloss sich auch das Gericht an: „Matylda Bigott hatte die polnische Nationalität . Im Jahre 1956 hat sie Polen mit einem Konsularpass als Polin verlassen. Darum hat sie ihre Rechte an dem Haus in Zoppot nicht verloren.“, argumentierte Richter Piotr Ciemnoczolowski. Auch die Entschädigung, die Matylda Bigott nach dem Krieg vom deutschen Staat bekommen habe, ändere daran nichts.

Die Gegenseite stellt sich aber auf den Standpunkt, dass Matylda Bigott Deutsche war, und das Haus im Zweiten Weltkrieg unrechtmäßig erhalten habe. „1942 wurde Frau Bigott als Eigentümerin des Hauses in der heutigen Haffnerstraße, dt. Wuerzigstr. eingetragen. Vermögen, das Polen gehörte, wurde damals konfisziert“, erklärte Marek Kurmis - Łozowski, Vertreter der Mieterin Bogumila Radomska in der Gerichtsverhandlung. Nur Deutsche hätten während des Zweiten Weltkrieges ruhig in Danzig und Zoppot leben und ihr Vermögen behalten können.

Die „Polnische Treuhand“ will ihrerseits polnische Bürger vor deutschen Rückübertragungsansprüchen schützen und baut dazu eine Kette von Außenstellen im ganzen Land auf, um Betroffene zu beraten. „Allein aus der Stadt Gdynia (Gdingen) haben wir über 700 Anfragen von Personen, die Interesse an einer Mitgliedschaft in unserer Organisation haben“, berichtet Dorota Arciszewska - Mielewczyk „Die Anträge kommen aus ganz Polen, aus anderen europäischen Staaten und sogar aus den USA“. Die „Polnische Treuhand“ entstand Ende 2004 als Reaktion auf die von deutschen Vertriebenen gegründete „Preußische Treuhand“. Diese fordert die Rückübertragung enteigneten Eigentums an deutsche Staatsbürger und plant dazu eine Reihe von Gerichtsverfahren vor polnischen Gerichten, auch die Bewohner der Haffnerstraße 38: „Die Deutschen wollen jetzt den Kampf um die Vermögensrückerstattung gewinnen. Wir werden sie dabei stören“, erklärte Treuhand-Präsidentin Dorota Arciszewska-Mielewczyk.

Eine der elf Mieter, Bogumila Radomska, war 1945 auf Vermittlung der polnischen Behörden in das Haus in Zoppot gezogen. Sie befürchtet, diese Wohnung nun nach über 60 Jahren verlassen zu müssen. „Wir haben Angst, was jetzt mit uns passiert. Was machen wir wenn der Erbe von Frau Bigott jetzt kommt und wir müssen unsere Wohnungen verlassen oder hohe Mieten zahlen?“, fragte die entsetze Polin kurz nach dem Entschluss des Gerichts besorgt.

Auch die Zoppoter Behörden sind mit der Gerichtsentscheidung nicht glücklich: Bogumila Radomska und ihre Nachbarn seien Opfer eines Versehens polnischer Beamter geworden, erklärte der Stadtpräsident von Zoppot, Jacek Karnowski. „Wahrscheinlich haben sie damals vergessen, die Eintragung in den alten Dokumenten zu ändern.“ Karnowski will nun ein Berufungsverfahren vor dem Obersten Gericht in Warschau anstrengen.

Dagegen beschwichtigte Andrzej Markiewicz, Anwalt von Brunon Bigott, man könne durchaus über den Verkauf des Hauses an die Mieter reden: „Die polnischen Familien werden nicht einfach rausgeschmissen. Keine Angst.“. Allerdings liegt das Haus in bester Lage, unweit des berühmten Grand Hotels, ganz nahe am Zoppoter Strand. Verlangt werden hier Kaufpreise von 900 bis 1700 Euro pro Quadratmeter. Für Durchschnittspolen unbezahlbar.

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