Kosovo

Kosovo vor der erneuten Krise

Schon in den kommenden Wochen könnte gegen Ramush Haradinaj - den Premierminister der ehemaligen serbischen Provinz - Anklage beim Haager Kriegsverbrechertribunal erhoben werden. Eine Anklage, so Beobachter, könnte die geplanten Verhandlungen über den Status des Kosovo, die für Ende 2005 geplant sind, wesentlich verschieben.

Es gibt starke Anzeichen, dass sich Haradinaj für ihm vorgeworfene Kriegsverbrechen in Den Haag verantworten muss. Eine ‘solide’ Anklage gegen Mitglieder der Führung der Kosovarischen Befreiungsarmee (UCK) wurde von Chefanklägerin Carla Del Ponte bereits angekündigt. Und Haradinaj wurde bereits zweimal vom Haager Tribunal befragt.

Ramush Haradinaj, einst Gebietskommandeur der UCK, wurde im Dezember letzten Jahres zum Premierminister des Kosovo ernannt. Unter westlichen Diplomaten aber, sorgt seine Vergangenheit für Unbehagen. Auch der Europäische Chefdiplomat Javier Solana bemerkte kürzlich: “Wenn der Ministerpräsident sich als jemand herausstellt, der nach Den Haag gehen muss, wird er nicht die geeignete Person [für den Posten] sein”.

So soll die UCK, laut Medienberichten, unter Haradinajs Führung während des Krieges im Westen Kosovos etwa 40 Menschen umgebracht haben. Weitere Kriegsverbrechen werden ihm vorgeworfen, doch konnten bis jetzt keine stichhaltigen Beweise geliefert werden. Haradinaj dementiert die Vorwürfe: “Das sind alles Erfindungen der serbischen Regierung, die während des Krieges dazu dienten die UCK zu diskreditieren”.

Die Ermittlungen sind nun beendet. Anklage wird erhoben, falls das zuständige Gericht die Beweise als hinreichend zur Eröffnung eines Verfahrens befindet. Dann kann auch die Identität des Angeklagten bekannt gegeben werden.

Die Folgen einer Anklage

Haradinajs derzeitige Aufgabe als Premierminister ist die Vorbereitung des Kosovo auf eine geplante Beurteilung der UNO, die seit 1999 die ehemalige serbische Provinz verwaltet. Dabei wird die internationale Gemeinschaft feststellen, inwieweit der Kosovo notwendige Standards in den Bereichen Demokratie, Justiz und Minderheitenschutz erfüllt. Nur wenn diese erreicht sind, werden Verhandlungen über den Status des Kosovo beginnen können.

Sollte Haradinaj, der innerhalb kurzer Zeit den Ruf eines effizienten und fähigen Politikers erworben hat, angeklagt werden, könnte dies zu einer weit reichenden politischen Krise führen. Die Bildung einer neuen Regierung würde viel Zeit in Anspruch nehmen; Stagnation der so wichtigen Reformen wäre die Folge.

Vieles hängt auch davon ab, wie sich Haradinaj im Falle einer Anklage verhalten wird. Er selbst sagte, dass er sich freiwillig nach Den Haag begeben würde, sollte man ihn wirklich anklagen. Aber es bleibt unklar wie die Kosovaren reagieren werden. Es wird befürchtet, dass es zu Unruhen kommen könnte, wie schon im März vergangenen Jahres, als in Folge von Übergriffen gegen die serbische Minderheit 19 Menschen getötet und 4000 vertrieben wurden. Dies wäre dann eine erneute schwere Probe für die Internationale Präsenz im Kosovo, wie auch für die Sicherheit der gesamten Region.


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