Neuer Premier und ernste Spekulationen
Surab Nagaideli ist neuer Premier von Georgien. Seine Nominierung stieß nicht nur auf Ablehnung der Parlamentssprecherin Nino Burdshanadse, auch die georgischen Medien zeigten sich am Mittwoch verlegen um eine intensive Berichterstattung. Viel mehr Informationen als jene, dass Nagaideli von 2000 bis 2002 Finanzminister in der Regierung Shewardnadse war und nach Aussage von Burdshanadse einen schwierigen Charakter habe, gab es für die georgischen Leser zunächst nicht. Die Nominierung kam überraschend, zuvor waren andere Namen gehandelt worden, darunter auch der der Parlamentssprecherin, die Dritte im Rosenrevolutions-Bunde neben Saakashvili und dem toten Shwania.
Unterdessen gingen die Spekulationen über den Tod Shwanias weiter. Beamte des FBI, ursprünglich angefordert, um den Autobombenanschlag in der georgischen Stadt Gori, der in der vergangenen Woche drei Polizisten das Leben kostete, zu investigieren, untersuchten die Wohnung, in der Shwania starb.
Was ist Ihre Meinung zum Tod von Surab Shwania, fragt eine deutsche Internetzeitung für Nachrichten aus Georgien ihre Leser. Es sei kein Unfall, stimmten 36 Prozent ab, 32 Prozent benannten die Ursache für den plötzlichen Tod des georgischen Ministerpräsidenten in der vergangenen Woche unverblümt: Mord. Immerhin 25 Prozent glauben an einen Unfallhergang.
An der offiziellen Todesursache, Versterben durch das Austreten von Kohlenmonoxid infolge eines defekten Heizstrahlers, von dem behauptet wird, er sei iranischer Herkunft, wird von offizieller Seite weiter festgehalten. Die Georgier sollte dies nicht wundern, denn in den vergangenen fünf Jahren hat es allein in Tiflis 80 Todesfälle durch Unfälle der gasförmigen Art gegeben. Diese allerdings ereilten meistens Menschen mit beschränktem finanziellen Vermögen, sprich arme Schweine, die sich keine anständige Heizquelle leisten konnten. Dass es nun einen von den Bessergestellten traf, nämlich den Politiker Surab Usupov, in dessen Wohnung sich der Premierminister aufgehalten hatte, muss nichts heißen, gibt aber Anlass zu Spekulationen oder zur Sorge über die Gehälter der georgischen Politiker.
Die zeitliche Todesnähe zu dem Anschlag in Gori, bei dem drei Polizisten umkamen, veranlasste einen georgischen Rechtswissenschaftler dazu, „äußere Kräfte“ für den Anschlag verantwortlich zu machen. Das ist kryptisch, für Georgier jedoch leicht verständlich. Gori ist die nächste georgische Stadt zur abtrünnigen Provinz Südossetien, das unter dem Einfluss von Russland steht. Wer immer für den Autobombenanschlag verantwortlich ist, verübte ihn mutmaßlich, um die fragilen georgisch-ossetischen Verhandlungen über den Status der Republik und die Rückkehr der georgischen Flüchtlinge zu gefährden. Verhandlungen, für die auf georgischer Seite maßgeblich Shwania zeichnete. Nicht gerade zur Freude der Moskauer Regierung, die die Dinge gerne beließe wie sie sind, bedeutet das doch, Georgien stets ein wenig am Gängelband zu halten.
Die Russen waren nicht die einzigen, die Shwania verärgerte. Auch Geschäftsmänner und Kriminelle hätten allen Grund, ihm Böses zu wollen, denn der Premier führte einen für georgische Verhältnisse vehementen Kreuzzug gegen Korruption und Verbrechen. Mag sein, dass ein Unglück selten allein kommt. Trotzdem mutet es gespenstisch an, dass sich nur drei Tage nach dem Tod von Shwania der 32jährige Georgi Khelaschwili mit einem Jagdgewehr erschoss. Welches er sich vorher von seinem Nachbarn lieh. Khelaschwili wird ein politischer Weggefährte Shwanias genannt.
Hinter vorgehaltener Hand wird in Tiflis übrigens auch gemunkelt, Shwania und Saakashwili seien sich nicht immer grün gewesen. Nun ist es so, dass Verschwörungstheorien im Kaukasus das sind, was den alten Griechen die Tragödie war. Sie erzeugen Emotionen und Demut, der Einzelne erfährt Reinigung, Vorhang zu, und über die Toten breitet sich die Dunkelheit. Und wie in der Tragödie braucht man stets neue Varianten der Intrige.
Nicht auszuschließen also, dass es demnächst eine Abstimmung der Frage gibt: Glauben Sie, dass der georgische Präsident der Mörder des georgischen Premiers ist?