Mazedonien klopft an die Tür der EU
"Kroatische Studenten dürfen in Deutschland gratis studieren, und mazedonische müssen zahlen. Wähle die EU!" so agitierte der populäre mazedonische Radiosender Antenna 5 im Herbst 2004 für die Europäische Union. Damals strömten Tausende ethnische Mazedonier auf die Strassen um gegen die geplante Gemeindereform zu protestieren, die der albanischen Minderheit mehr Rechte im Staat sichern sollte. Nur nach einer wochenlangen Regierungskampagne, bei der die EU-Mitgliedschaft einer der wichtigsten Themen war, ebbten die Proteste ab. In einem Referendum stimmte nur ein Viertel der Wahlberechtigten gegen das Regierungsprojekt.
Am 14. Februar wird die mazedonische Regierung der EU einen ausgefüllten Fragebogen übergeben. Vier Monate dauerte Arbeit an den 4000 Fragen, anhand derer die Europäische Kommission entscheiden wird, ob das Land bereit ist Kandidatenstatus zu erhalten. Mazedoniens Regierung glaubt dieses Ziel schon Ende des Jahres erreichen zu können.
Eine Erfolgsgeschichte auf dem Balkan
Woher stammt diese Zuversicht? Seit dem Rahmenabkommen von Ohrid, das 2001 einen Konflikt zwischen albanischen Rebellen und mazedonischen Sicherheitskräften beendete, gilt Mazedonien als Erfolgsstory der internationalen Gemeinschaft. Die EU ist, neben den Vereinigten Staaten, der OSZE und der NATO, einer der Garanten für die Umsetzung des Abkommens. Die Aussicht auf EU-Mitgliedschaft ist daher auch der bei weitem wichtigste Anreiz für einedauerhafte Konfliktlösung.
Bereits jetzt engagiert sich die EU in dem Land mit umfangreichen Aufbau- und Hilfsprogrammen. Auch Deutschland sagt weitere Unterstützung zu. Ende Januar verkündete der ehemalige Finanzminister Theo Waigel seine Bereitschaft, die mazedonische Regierung auf dem Weg in die EU zu beraten.
Dass Mazedonien vergleichsweise gute Chancen hat, zeigt auch die EU-Kritik gegenüber anderen Balkanländern. Serbien und Montenegro wie auch Bosnien Herzegovina wurden erst kürzlich wieder darauf hingewiesen, dass eine weitere Annäherung an die EU ohne eine verbesserte Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien kaum vorzustellen sei. In Albanien wird die Partnerschaft mit der EU erst nach den bevorstehenden Parlamentswahlen und einem verbesserten politischen Klima in Frage kommen. Und im benachbarten Kosovo muss erst die Statusfrage gelöst werden, was kaum vor Ende dieses Jahres möglich scheint. Nach Slowenien und Kroatien, ist Mazedonien nun die dritte der ehemaligen jugoslawischen Republiken, die sich offiziell um die EU-Mitgliedschaft bemüht.
Realitätscheck
Allerdings ist es bis zur EU Mitgliedschaft noch ein weiter Weg. Zum einen fordert die EU anhaltende Stabilität, zum anderen die Implementierung weitreichender Reformen, besonders im Wirtschafts- und im Justizbereich.
Dass es etwa innerhalb der albanisch-mazedonischen Regierungskoalition oft unüberbrückbare Differenzen gibt, wurde im November letzten Jahres durch den Rücktritt des mazedonischen Ministerpräsidenten Hari Kostov klar verdeutlicht. Der hochqualifizierte Wirtschaftsfachmann und Banker, der das Land so schnell wie möglich für einen EU-Beitritt fit machen wollte, kritisierte vor allem den Nepotismus und die Korruption des albanischen Koalitionspartners.
So ist die Sicherheitslage ist nach wie vor problematisch. Den Behörden gelang es etwa im vergangenen Dezember erst nach mehreren Wochen, die Besetzung eines Dorfes am Stadtrand der mazedonischen Hauptstadt durch eine bewaffnete Gruppe ethnischer Albaner zu beenden. Trotz der sich stetig verbessernden Sicherheitslage zeigt dieser Vorfall, dass es der Regierung immer noch schwer fällt das Land vollständig unter Kontrolle zu halten.
Viele Reformen sind bisher nur unzureichend umgesetzt worden. Vor allem im Justizsystem ist die Lage kritisch. Richter sind nicht hinreichend ausgebildet und Korruption ist weitverbreitet. Mehrere europaweit gesuchte Drogen- und Menschenhändler wurden im letzten Jahre kurz nach ihrer Festnahme durch die mazedonische Polizei von korrupten Richtern in die Freiheit entlassen.
Die wirtschaftliche Situation ist das vielleicht größte Problem des Landes. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei etwa einem zehntel des europäischen Durchschnitts, die Arbeitslosigkeit bei über 30 Prozent. Doch erste Verbesserungen zeichnen sich ab. So zeigt sich die Weltbank optimistisch. Am 3. Februar sagte Orsalia Kalantzopoulos, die regionale Koordinatorin der Weltbank für Südosteuropa, Mazedonien habe Erfolge in vielen Wirtschaftsbereichen erzielt.
Eine Chance
Mazedonien muss nun zügig die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen um seine größten Schwächen anzugehen. Das dafür nötige Geld könnte aus zusätzlichen EU-Mitteln kommen, die dem Land gewährt würden, sollte es Kandidatenstatus erhalten.
Es gibt Anzeichen, dass die EU im Falle Mazedoniens Flexibilität zeigen wird. Bisher gilt das Land als ein Erfolgsmodell europäischer Balkanpolitik, das als Beispiel für Nachbarnländer dienen könnte.
Erste politische Signale seitens der EU gab es schon zu hören. "Sollten die politischen Entwicklungen in Mazedonien weiterhin positiv verlaufen, könnten wir schon bald ein weiteres Kandidatenland haben, und damit einen wirklichen Meilenstein im Westbalkan erreichen“, sagte Olli Rehn, EU-Erweiterungskommissar am 18. Januar vor dem Auslandskomitee des Europaparlamentes.