Diktator Lukaschenko schottet sein Land ab
Kiew/Minsk (n-ost) – Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko steht im Ruf, Europas letzter Despot zu sein. Er unterdrückt bislang erfolgreich die Opposition im Lande, konserviert in Weißrussland einen Kommunismus sowjetischer Prägung und führte sein Land zudem durch dubiose Waffengeschäfte mit Libyen, Saudi-Arabien, dem Irak und dem Iran in die Isolation. Im Herbst 2004 noch ließ sich Lukaschenko durch ein Referendum seine längst abgelaufene Amtszeit um eine weitere Legislaturperiode verlängern. Der ehemalige Kolchosvorsitzende scheint sein Land fest im Griff zu haben. Doch seit sich die benachbarten Ukrainer im Dezember mit der Revolution in Orange ihrer wenig demokratischen Führung entledigten, wächst bei Lukaschenko die Angst vor einem Umsturz.
Und dagegen setzt er sich aktiv zur Wehr. So wird die Zensur der Medien im Lande weiter verschärft. Sogar russische Fernsehprogramme müssen nun, bevor sie in Belarus ausgestrahlt werden, auf kritische Äußerungen über den belarussischen Präsidenten hin überprüft werden. Beim Internet-Zugang drohen ebenfalls drastische Einschränkungen. Durch einen Ukas des Präsidenten wurde bereits der Zugang zu einigen russischen Internetseiten blockiert, die im Ruf standen, auf die belarussischen Bürger einen „schädlichen“ Einfluss auszuüben. Solche Maßnahmen sind durchführbar, weil die Internetlandschaft in Belarus von einem einzigen Monopolisten, der Firma „Beltelecom“, beherrscht wird.
Anfang Februar sagte nun Lukaschenko auch der massenhaften Auswanderung von Bürgern den Kampf an. Die Rhetorik ist aus DDR-Zeiten bekannt: Die Kampagne steht unter dem Motto „Kampf gegen den Menschenhandel“. Unter dem Verdacht des „Menschenhandels“ stehen vor allem Modell-, Heirats- und Au-Pair -Agenturen sowie alle Firmen, die ihren Kunden eine Arbeitsmöglichkeit im Ausland vermitteln. All diese Unternehmen sollen durch Innen- und Außenministerium und KGB einer strengeren Kontrolle unterzogen werden. Als erste Maßnahme müssen sich alle diese Agenturen neu lizenzieren lassen. „Menschenhandel wird in unserem Land für keinen mehr ein ertragreiches Geschäft sein“, kündigte Lukaschenko in einer Fernsehansprache an. Alle, die des Menschenhandels überführt werden, erwarten langjährige Freiheitsstrafen sowie die Beschlagnahmung des gesamten Privatvermögens.
Was Lukaschenko als „Menschenhandel“ bezeichnet, ist Frucht seiner Politik: Inoffiziellen Statistiken zufolge verlassen jährlich mindestens 200 000 Belarussen ihr Land. Die prominente belarussische Menschenrechtlerin Ljubow Lunjewa sieht im neuen Gesetz die Schaffung eines neuen Eisernen Vorhanges, als Mittel, das eigene Volk nach DDR-Muster einzusperren.
Seitdem Lukaschenko im Jahre 1994 sein Amt angetreten hat, nimmt die Zahl der Emmigranten konstant zu. In erster Linie seien es die Jugendlichen, die das Land verlassen wollen, sagt Lunjewa. Die Hochschulbildung in Belarus ist unter Lukaschenko nach alten sowjetischen Schemata ideologisiert und dogmatisiert worden. Seit über einem Jahr ist das Fach „Staatsideologie“ an allen belarussischen Hochschulen eine Pflichtveranstaltung.
Auch das Studium belarussischer Jugendlicher im Ausland fällt mit dem angekündigten Gesetz unter das Kapitel „potenzieller Menschenhandel“. Jeder Student, der an einer ausländischen Universität studieren möchte, soll in Zukunft einer strengen Überprüfung unterzogen werden und braucht eine Genehmigung des Bildungsministeriums.
Der neue Eiserne Vorhang des belarussischen Präsidenten wird nicht nur die belarussischen Staatsbürger selbst betreffen, auch der Zugang aus dem Ausland nach Belarus soll erschwert werden. In der nächsten Parlamentssitzung im kommenden April steht die Verabschiedung eines Gesetzes zur Verschärfung der Einreise nach Belarus an. In diesem Gesetz soll die Liste mit Gründen erweitert werden, wegen derer Ausländern eine Einreise nach Belarus verwehrt werden darf. Das neue Gesetz wird jährlich schätzungsweise drei Millionen Ausländer und Staatenlose betreffen, die sich in Belarus aus Arbeitsgründen, auf Durchreise oder als Touristen aufhalten.
Schon früher gab es immer wieder Ausweisungen von westlichen Ausländern aus Belarus. Zuletzt wurde im Januar ein tschechischer Diplomat des Landes verwiesen. Nun geraten auch Russen und Ukrainer ins Visier der Obrigkeit. Sie werden bei ihrer Einreise nach Belarus zur besseren Kontrolle eine so genannte Migrationskarte ausfüllen müssen.
In einer seiner Reden, die er nach dem Referendum vom 17. Oktober 2004 gehalten hatte, verkündete Präsident Lukaschenko seine Absicht, gegen alle Staaten aktiv vorzugehen, die sein Regime gefährden wollen. Ganz oben in dieser Liste stehen die USA und Deutschland, welche, so Lukaschenko, Pläne zu seinem gewaltsamen Sturz ausarbeiteten. Nun wurde die Liste von Lukaschenkos Feinden um ein weiteres Land erweitert – um die Ukraine.
Die Angst vor einem Überspringen des revolutionären Funkens vom Maidan, dem Kiewer Platz der Unabhängigkeit, nach Minsk ist groß. So befanden sich unter den Hunderttausenden, die dort in Kiew für Demokratie demonstrierten, auch belarussische Oppositionelle wie Marina Bogdanowitsch vom Zentralkomitee der belarussischen Vereinigten Bürgerlichen Partei. „Es ist für mich sehr bitter gewesen, dass wir Belarussen es nicht wie die Ukrainer geschafft haben, das Orange anzuziehen und der ganzen Welt von der Wahlfälschung in unserem Land zu erzählen. Ich bin mir jedoch sicher: In ihrem Geiste haben die meisten Belarussen auf dem Kiewer Maidan mitprotestiert, und Lukaschenkos Tage sind bereits gezählt.“
Unabhängige Experten halten jedoch eine Wiederholung „der ukrainischen Revolution“ in Belarus für kaum realisierbar. „Die belarussische Oppositionsbewegung hat weder einen starken und charismatischen Anführer wie es Wiktor Juschtschenko in der Ukraine war, noch stehen der Opposition ausreichende Finanzierungsquellen zur Verfügung“, sagt der unabhängige ukrainische Politologe Wladimir Fesenko.
Einzige Hoffnung für eine Demokratisierung in Belarus, so Fesenko, sei die Jugend. Die Zahl der Jugendlichen, die des „Lukaschismus“ leid sind, sei in Belarus potenziell größer als es in der Ukraine mit dem Kutschma-Gegnern der Fall war. Bislang wählt die belarussische Jugend nicht den Kampf, sondern die Flucht aus dem Land. Nun will Präsident Lukaschenko genau dieser Flucht ein Ende setzen. Womöglich gräbt er sich damit sein eigenes Grab.
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Tatjana Montik
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