Polen

Vertriebenenbischof soll selig gesprochen werden

Autor und Kontakt: Benjamin Haerdle (E-Mail: bhaerdle@gmx.de Tel.: (+49) 0176/29405117)

Olsztyn (n-ost). „Wir brauchen Menschen, die das deutsche und polnische Volk versöhnen. Menschen wie Bischof Maximilian Kaller“. Es klingt wie ein Bekenntnis, wenn der katholische Erzbischof der Diözese Warmia (dt. Ermland), Edmund Piszcz, über seinen deutschen Vorgänger spricht. In den prächtigen Gotteshäusern rund um Olsztyn im Nordosten Polens, in denen der polnische Geistliche seit mehr als 20 Jahren auf der Kanzel steht, predigte Bischof Kaller zwischen 1930 und 1945. Zu Zeiten, in denen Olsztyn noch Allenstein hieß und Ostpreußen ein Teil Deutschlands war. Erzbischof Piszcz und der polnische Primas Jozef Glemp gehören zu einer deutsch-polnischen Glaubensgemeinschaft, die den derzeit laufenden Prozess der Seligsprechung Maximilian Kallers unterstützt.
Papst Pius XI entsandte Maximilian Kaller im Juli 1930 ins katholisch dominierte Ermland. Der Bischof residierte im prächtigen Kathedralkomplex in Frauenburg (heute Frombork). Von dort aus nahm der umtriebige Kaller seine Arbeit auf. Der 1880 in Beuthen geborene Oberschlesier propagierte und lebte die so genannte „katholische Aktion“, die Mitarbeit und Mithilfe von Laien am hierarchischen Apostolat. Für die vom Dritten Reich zu Hunderttausenden in den Arbeitsdienst und Landwirtschaft verschickten Arbeitskräfte schuf er mit der „Wandernden Kirche“ eigene Seelsorgsangebote. Sein bischöflicher Wahlspruch „Die Liebe Christi drängt mich“ war seine Motivation.

Was ihm heute von Seite Polens besonders hoch angerechnet wird: Für die damalige polnische Minderheit predigte er in Ostpreußen in polnischer Sprache. Bis zu 50.000 Gläubiger folgten seinen Ausführungen in polnischer Sprache zum Beispiel 1934 im Wallfahrtsort Dietrichswalde. „Kaller fühlte sich für alle verantwortlich, egal ob Deutsche, Polen oder Litauer“, konstatiert Piszcz.
Gegenüber der 1933 einsetzenden NS-Schreckensherrschaft verhielt sich der Bischof einigen Kritikern zufolge anfangs mit „gutgläubiger Naivität und verhaltener Loyalität“. Die Gefahren, die von einigen nationalsozialistisch gesinnten Professoren des Priesterseminars in Braunsberg, etwa Karl Eschweiler oder Hans Barion, ausging, schätzte er nicht richtig ein. Nachdem sich jedoch die Kirchen- und Christenfeindlichkeit des Dritten Reiches offenbart hatte, zeigte er sich als deutlicher Gegner der NS-Politik. 1942 wurde Kallers Gesuch, die Seelsorge in einem Konzentrationslager zu übernehmen, abgelehnt.
Anfang Februar 1945 zwang ihn die Gestapo, Ostpreußen vor dem Anrücken der Roten Armee zu verlassen. Doch lange hielt es der Geistliche in seiner provisorischen Bleibe in Halle an der Saale nicht aus. Schon im Sommer 1945 kehrte er auf abenteuerlichen Wegen ins Ermland zurück. Umsonst. Der polnische Kardinal Augustyn Hlond veranlaßte ihn zum Verzicht des Bischofamts. Kaller ging endgültig zurück in den Westen, wo ihn ein Jahr später Papst Pius XII zum „Päpstlichen Sonderbeauftragten für die heimatvertriebenen Deutschen“ machte. Als „Vertriebenenbischof“ rieb er sich unter den damaligen chaotischen Nachkriegsverhältnissen bei der Unterstützung und Suche nach seinen verstreuten Gläubigen und Priestern auf. Am 7. Juli 1947 erlag Kaller in Frankfurt/Main einem Herzinfarkt.

„Er war ein Mann der Versöhnung und des Friedens“, meint der heutige polnische Erzbischof Piszcz in Olsztyn. Mit dieser Meinung ist er nicht allein. „Viele Ermländer drückten dies in Gesprächen aus und nahmen ihr Anliegen in Fürbitten und Gebeten auf“, sagt Dr. Lothar Schlegel. Er ist Beauftragter der deutschen Bischofskonferenz für Priester und Gläubige aus dem Ermland. Gemeinsam mit dem Münsteraner Bischof Reinhard Lettmann initiierte er beim Vatikan die Seligsprechung Kallers. Im Mai 2003 begann der Prozess. Geprüft wird nun, ob es sich bei Kaller um einen Zeugen vorbildhaften Christenseins handelt“, erklärt Schlegel. Falls ja, könne er von der Kirche eines Landes oder eines Bistums verehrt werden.
Doch das zweistufige Prozedere ist langwierig. Das Bistum Münster, das den Prozess durchführt, interviewt über 40 Zeitzeugen, recherchiert in Archiven in Deutschland, Polen und Rom und prüft mehr als 1000 Dokumente. Historiker und Theologen sind eingespannt. Eine für Seligen-und Heiligensprechung zuständige vatikanische Kongregation untersucht im Anschluss die Münsteraner Ergebnisse. Sie trifft die Entscheidung, ob Kaller als Seliger verehrt werden darf oder nicht. Eine der Hürden: In einem Teilverfahren wird geprüft, ob Kaller ein Wunder zugesprochen werden kann und ob es sich dabei, wie Domkapitular Martin Hülskamp aus Münster präzisiert, um eine „herausragende Gebetserhörung, die nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen objektivierbar und deren Herkunft aber für die Fachleute mit ihren Mitteln nicht erklärbar ist“, handelt. Dies könnte laut Hülskamp im Fall Kallers zum Beispiel bei Gläubigen eingetreten sein, denen der Geistliche bei Problemen, insbesondere bei Krankheiten, beistand. Viele Menschen hätten davon berichtet.

Unterstützung gibt es von den rund 12.000 in Polen verbliebenen Ermländern deutscher Abstammung. In der Herz-Jesu-Kirche in Allenstein-Jomendorf (Olszytn-Jaroty) wird zum Beispiel am Ende der deutschsprachigen Gottesdienste für die Seligsprechung Kallers gebetet. Auch die 120.000 noch in Deutschland lebenden Ermländer hoffen. Sie gründeten einen Förderkreis, um dadurch die kostspielige Übersetzung der Abschlussberichte ins Italienische für die vatikanischen Experten in Rom zu finanzieren. Prognosen, wann das Verfahren abgeschlossen sein wird, seien kaum möglich, meint Hülskamp: „Bei Mutter Teresa dauerte die Seligsprechung vier Jahre, bei der Braunsberger Gründerin des Katharinenordens Regina Protmann mehr als 400 Jahre“.
Für den polnischen Erzbischof Edmund Piszcz ist die Dauer nicht entscheidend: „Es ist wichtig, dass der Prozess überhaupt in Gang gekommen ist. Kaller war ein Brückenbauer zwischen Deutschen und Polen.“ Und Piszcz weiß, wovon er spricht. Für seinen „außerordentlichen Einsatz für die Verständigung der Völker Deutschlands und Polens“ erhielt er im Oktober das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.


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