Georgien

Georgiens ungelöste Konflikte: kein Ende in Sicht

Wieder einmal ist Georgiens abtrünnige Region Südossetien der Schauplatz erneuter Spannungen. Und auch in Abchasien, seit einem Bürgerkrieg von 1992 de facto unabhängig von Georgien, blieben alle Annäherungsversuche der Georgischen Regierung bisher ohne Erfolg. Am 26. Januar versuchte Georgiens Präsident Saakaschwili nun, die internationale Gemeinschaft für einen erneuten Lösungsversuch der beiden Konflikte zu gewinnen.

Der am Mittwoch bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) in Straßburg präsentierte Friedensvorschlag sieht als die Lösung einen föderalistischen Staat vor. Doch die ersten Signale aus der Krisenregionen zeigen, dass es dahin noch einen weiten Weg zu beschreiten gilt.

Am Freitag vergangener Woche blockierten hunderte ethnische Georgier alle nach Südossetien führenden Hauptstrassen. Sie verlangten die Freilassung eines georgischen Polizisten, der tags zuvor von Südossetischen Kräften entführt worden war. Im Gegenzug, wurden 12 Ossetier Opfer einer weiteren Entführung durch eine bisher nicht identifizierte bewaffnete Gruppe. Trotz der Freilassung der Geiseln drei Tage später bleibt die Situation gespannt.

Politisches Niemandsland

Südossetien ist die kleinere der beiden Konfliktzonen. Die nur einige wenige Täler umfassende Provinz konnte bisher weder geographisch noch historisch Ansprüche auf Unabhängigkeit geltend machen. Offiziell verweigert selbst Russland die Anerkennung. Trotzdem wird Südossetien von Moskau politisch und militärisch protegiert und überlebt nach Einschätzung westlicher Beobachter nur durch den Schmuggel von Alkohol, Waffen und Nahrungsmitteln.

Der zweite Konfliktherd ist Abchasien. Die Georgier beanspruchen das kleine Areal mit Zugang zum Schwarzen Meer für sich, die Russen haben es de facto unter ihrer Kontrolle – es geht um ihren politischen Einfluss im Kaukasus. Im Gegensatz zu Südossetien gäbe es durchaus historische Fakten, die Abchasiens Anspruch auf Unabhängigkeit untermauern würden. Aber der Unabhängigkeitwunsch bleibt derzeit nur ein Traum. Zum einen wurde die Hälfte der dort ansässigen Bevölkerung - ungefähr eine Viertel Million Menschen – während des Bürgerkriegs 1992-93 vertrieben. Diese sind nun als Flüchtlinge in der georgischen Hauptstadt Tiflis und in den an Abchasien grenzenden Regionen untergebracht. Die Wirtschaft ist praktisch zusammengebrochen und die Menschen sind auf Einnahmen aus der Schattenwirtschaft angewiesen. Die Hauptstadt Sukhumi, bietet einen jämmerlichen Anblick: viele Gebäude sind zerstört oder fallen auseinander, Bürgersteige sind mit Gras überwachsen, und der Flughafen wird nur als Landeplatz für einige UNO-Helikopter benutzt.

Sowohl Ossetien als auch Abchasien ließen sich freiwillig zu Russlands Geiseln machen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion half Russland politisch und militärisch, ihre sezessionistischen Kriege gegen die georgische Staatsmacht zu führen. Später stellte es freizügig russische Pässe für die Bewohner beider Regionen aus. So besitzt heute die Mehrheit der abchasischen Bevölkerung die russische Staatsbürgerschaft. Damit versucht Russland, Georgiens Anspruch auf diese Regionen dauerhaft zu untergraben. Als im März 2004 die russischen Präsidentenwahlen stattfanden, wurden in beiden Krisenregionen Wahlbezirke eröffnet. Und im vergangenen Monat, nach den umstritten Wahlen in Abchasien, warnte Russland Georgien, dass es alle Mittel ergreifen werde um seine Staatsbürger und Interessen in der Region zu schützen.

Gleichzeitig wurde Russlands Protektionismus den kleinen Splitterstaaten zum Verhängnis: "Es ist nicht in Russlands Interesse, diese Länder aufzunehmen", sagt Paata Zakareischwili, ein georgischer Konfliktforscher. "Russland will diese Territorien nur kontrollieren, um Georgien gefügig zu halten. Die Interessen der lokalen Bevölkerung spielen dabei keine Rolle." Außerdem, so meinen westliche Beobachter, würde die staatliche Anerkennung für Russland in Hinblick auf Tschetschenien einen höchst heiklen Präzedenzfall im Nordkaukasus schaffen.

Der erste Versuch

Seit Jahren betont Georgien die Notwendigkeit der Konfliktlösung in den beiden abtrünnigen Gebieten. Aber erst Saakashvilis Regierung versucht ernsthaft Mittel und Wege zu finden, Abkhasien und Südossetien wieder zu kontrollieren. Immerhin erklärte Saakaschwili vor einem Jahr bei seinem symbolischen Amtseid am Grab Davids des Vierten (dem Gründer des ersten vereinten georgischen Staates aus dem 11. Jahrhundert) die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Georgiens zur wichtigsten Priorität seiner Präsidentschaft.

Nach seinen schnellen Siegen in Tiflis und in Adjarien, also der Entmachtung seines Vorgängers Schevardnaze sowie des pro-russischen adjarischen Lokalfürsten Aslan Abashidze, hoffte der georgische Präsident, ähnlich erfolgreich mit den beiden abtrünnigen Gebieten verfahren zu können. Im Juni letzten Jahres entsandte Saakaschwili Truppen in die abtrünnige Provinz Ossetien unter dem Vorwand, den Schmuggel an der grünen Grenze mit Russland zu unterbinden. Mit der Schließung des riesigen Schwarzmarktes an der administrativen Grenze zwischen Südossetien und Georgien hoffte Saakaschwili, den Zusammenbruch der Regierung herbeiführen zu können. Doch dieser Schritt führte zu einer weiteren Militarisierung der Region, mindestens 22 Menschen kamen ums Leben.

In Abchasien und Südossetien wiederum erinnern die Menschen noch all zu gut die nationalistischen Exzesse der Georgier der frühen neunziger Jahre. So bevorzugen sie, zumindest vorübergehend, an der Seite Russlands zu bleiben. Russland seinerseits weiß sich in der Region zu behaupten.

Im Friedensvorschlag, der am Mittwoch in PACE gemacht wurde, werden diese Argumente nur am Rande berücksichtigt. Trotzdem ist es der erste erstzunehmende Schritt seit dem Ausbruch der Konflikte. Gleichzeitig signalisierte Abchasien letzte Woche, es wäre bereit, wieder an den von der UNO geleiteten Friedensgesprächen teilzunehmen. Es wäre im Interesse der internationalen Gemeinschaft, sich an einer Lösungssuche zu beteiligen. Auch die Warnung des German Marshall Fund soll berücksichtigt werden - danach seien Abchasien und Ossetien „eine Transitstätte für Waffen, Drogen und Menschenhandel, und so nicht zuletzt eine Brutstätte des Terrorismus", auch eine Folge der unklaren Zukunftsperspektiven der Menschen.


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