Polen

Polen verabschiedet nach langem Ringen Minderheitengesetz


Polen verabschiedet nach langem Ringen Minderheitengesetz

Zweisprachige Orts- und Straßenschilder in Polen möglich – in 28 Gemeinden dürfen wieder offiziell deutsche Namen erscheinen.

Von Benjamin Haerdle (E-Mail: bhaerdle@gmx.de Tel.: (+49) 0176/29405117


Olsztyn (n-ost). 16 Jahre lang diskutierten und stritten Polens Parlamentarier in unzähligen Arbeitsgruppen, Kommissionen und im Sejm ergebnislos über ein Minderheitengesetz. Damit ist jetzt Schluss. Gestern verabschiedete das Parlament das „Gesetz über nationale und ethnische Minderheiten und Regionalsprachen“. Noch im Januar soll es durch Staatspräsident Aleksander Kwasniewski ratifiziert werden.

Änderungen bringt das neue Gesetz auch für die rund 350.000 polnischen Staatsbürger deutscher Abstammung, die das Auswärtige Amt zur deutschen Minderheit zählt. Demnach können künftig Gemeinden, in denen der Bevölkerungsanteil der Minderheit 20 Prozent überschreitet, zweisprachige Orts- und Straßenschilder aufstellen. Zudem ist es Angehörigen der Minderheit in diesen Gemeinden bei Kontakten mit den örtlichen Behörden erlaubt, ihre Muttersprache anzuwenden. Zufrieden zeigte sich deshalb Henryk Kroll, einer der zwei Sejm-Abgeordneten der deutschen Minderheit. „Das Gesetz ist für die deutsche Minderheit ein guter und großer Fortschritt“, urteilte Kroll, der an dem Gesetz von Beginn an mitgearbeitet hatte.

Medienberichten zu Folge könnten damit 28 Gemeinden in den Woiwodschaften Schlesien und dem Oppelner Land Orts- und Straßenschilder in deutscher und polnischer Sprache aufstellen. Auch zwölf Kommunen im Nordosten Polens mit hohem Anteil von Weißrussen, zehn pommersche Gemeinden mit vielen Kaschuben und die von zahlreichen Litauern besiedelte Region Punsk könnten künftig ihre Orte und Straßen zweisprachig beschildern lassen. Die meisten Paragraphen des neuen Gesetzes aber waren schon in früheren Paragrafen verankert, etwa das Recht auf eigene Sprache, Tradition, Kultur, eigene Bildungs- und Kulturinstitutionen sowie eigene Vornamen und Namen. Festgelegt wird dagegen erstmals, welche Gruppen zu einer nationalen und zu einer ethnischen Minderheit zu zählen sind.

Der für Minderheiten zuständige Beauftragte des Marschalls in der Woiwodschaft Ermland und Masuren, Viktor Leyk, spricht von einer „positiven psychologischen Wirkung“ für die Minderheit. „Auch wenn im Gesetz fast nichts Neues steht: Es ist gut, dass es dieses Gesetz nun in kompakter Form gibt“, betont Leyk, der sich in Region des ehemaligen Ostpreußens um Deutsche, Ukrainer, Weissrussen, Masuren und Roma kümmert.

Seit 1989 hatte sich das polnische Parlament am Minderheitengesetz die Zähne ausgebissen. Auch bei der aktuellen Diskussion beklagte Kroll „nationalistische und chauvinistische Töne“ von Seiten der rechtskonservativen Parteien. Der Streit entzündete sich bei der zweisprachigen Beschilderung und der amtlichen Hilfssprache daran, wie hoch der Bevölkerungsanteil der Minderheit an der Gemeinde sein sollte. Nachdem der Sejm diesen Anfang November in der ersten Verabschiedung des Gesetzes entgegen des Gesetzentwurfes von acht auf 50 Prozent erhöht hatte, kürzte ihn der Senat auf 20 Prozent. Dem folgte schließlich auch der Sejm.

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