Estland

„ Wenn die Qualität stimmt, dann läuft das Geschäft schon“


Von Alexandra Frank (E-Mail: post@alexandrafrank.de)

Tallinn (n-ost). Am Rande der Tallinner Altstadt, nur ein paar Meter neben der mittelalterlichen Stadtmauer, säumen drei eng aneinander gebaute Häuser die pflastersteinerne Straße. Jahrhunderte lang von reichen Kaufleuten bewohnt, beherbergen die drei in zarten Pastelltönen gestrichenen Gebäude heute eines der luxuriösesten Hotels der estnischen Hauptstadt. Geführt werden „Die drei Schwestern“ von einem Deutschen. Seit zwei Jahren erst arbeitet Kay Bischoff in der nordbaltischen Hansestadt, doch steht für ihn bereits jetzt fest: „Ich werde in Estland bleiben.“

Nach Estland gekommen ist der 48jährige Hotelmanager ursprünglich aus privaten Gründen. Seiner estnischen Mutter, die seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland lebte, hatte Bischoff 1989 eine Reise in die alte Heimat geschenkt, zu der Zeit, als sich der Widerstand gegen die sowjetische Besetzung formierte. Doch erst nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1991 wuchs so langsam die Idee, dorthin zu ziehen. „Als ich dann das Angebot bekam, dieses Hotel zu leiten, war die Entscheidung nicht schwierig“, entsinnt sich Bischoff. Auch seine Mutter wohnt nun wieder in ihrer Heimat und bislang hat keiner von beiden den Schritt bereut. „Estland ist nicht nur ein wunderschönes Land, in dem man wie in Deutschland alles bekommt, was das Herz begehrt, auch geschäftlich ist es sehr attraktiv“, meint er. „Esten sind wissbegierig, fleißig und schauen nicht gleich auf ihre Stundenzahl, wenn viel Arbeit anliegt.“

Kay Bischoff ist kein Einzelfall. Laut Auskunft der Deutsch-Baltischen Handelskammer (AHK) in Tallinn gibt es in Estland rund 250 Unternehmen, die deutsch sind oder zumindest eine deutsche Beteiligung haben. „Mehrheitlich handelt es sich hierbei um kleine und mittelständische Unternehmen, die in Estland eine vertraute Umgebung vorfinden. Mit einer Einwohnerzahl von 1,4 Millionen und einem entsprechend kleinen Marktvolumen ist es in dem Land nicht immer einfach, die Aufmerksamkeit der Großen zu finden“, sagt Dr. Ralph-Georg Tischer, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der AHK.

Einen privaten Bezug zu Estland wie Bischoff haben natürlich nicht alle Geschäftsleute, die im Nordbaltikum investieren. Viel ausschlaggebender seien günstige Bedingungen wie wettbewerbsfähige Produktionskosten sowie die Nähe zu wichtigen großen Märkten wie Russland oder den anderen baltischen Ländern, Finnland und Schweden, findet Toomas Tohv, Leiter von Enterprise Estonia Deutschland. Die estnische Wirtschaftsförderung ist dem steigenden Interesse nachgekommen und hat im letzten Jahr in Hamburg eine deutsche Filiale eröffnet. „Für viele ist Estland noch unbekanntes Terrain, dabei ist es gerade für Deutsche ein attraktives Gebiet. Esten haben eine ähnliche Mentalität, viele Menschen sprechen Deutsch oder Englisch und die Infrastruktur hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt“, so Tohv.

Nicht nur zahlreiche Hotels in allen Teilen des Landes, auch preiswerte Direktflüge von Hamburg, Berlin, Frankfurt oder München sowie eine Fährverbindung von Rostock nach Tallinn seien in den letzten Jahren entstanden. Seit die Visumspflicht vor ein paar Jahren aufgehoben wurde, hat sich die Zahl der deutschen Urlauber mehr als verdoppelt. Über 100.000 Deutsche haben Estland im vergangenen Jahr besucht, darunter auch potentielle Investoren und Geschäftsleute. Neuester Großinvestor ist die Handelskette Lidl, die demnächst in allen drei baltischen Ländern erste Filialen eröffnen wird. „Neben westeuropäischer Geschäftsmentalität sind es vor allem die niedrige Einkommenssteuer von 26 Prozent und die Tatsache, dass reinvestierte Gewinne nicht versteuert werden müssen, die Estland attraktiv machen“, meint Tohv.

Auch in der Vergangenheit zog es Deutsche nach Estland. „Unsere Geschichte ist auf Deutsch geschrieben. Die Deutschbalten haben die europäische Kultur nach Estland gebracht“, sagt Maie Keek, die das Deutsche Kulturinstitut in der zweitgrößten estnischen Stadt Tartu leitet und verweist damit auf die lange, deutsch geprägte Geschichte des Landes.
Rund 700 Jahre lang hatten die Nachfahren der deutschen Ordensritter das Land geprägt, bis die Umsiedlungsverträge von 1939 ihrer Anwesenheit ein Ende setzten. 700 Jahre, die Spuren hinterließen. So begegnet man auch heute noch allerorts deutschen Namen: in Museen, auf Grabsteinen, in Stadtchroniken.

Doch nachdem zu Sowjetzeiten bewusst versucht wurde, die Einflüsse und Spuren der ehemaligen Oberschicht zu tilgen, ist die deutsche Sprache natürlich längst nicht mehr so verbreitet, wie es vor dem Zweiten Weltkrieg der Fall war, obgleich noch viele Esten gut Deutsch sprechen. Bischoff lernt deshalb die estnische Sprache und möchte im Land bleiben. Der Bochumer, der zu den Gründungsmitgliedern der Deutsch-Baltischen Handelskammer gehört, ist von den geschäftlichen Möglichkeiten in Estland überzeugt. „Mich wundert ja, dass nicht noch mehr Deutsche, die ja sonst ein gutes Gespür dafür haben, wo Geld zu machen ist, hier in Estland ihr Glück versuchen.“ Gerade klassische Berufe wie Bäcker hätten seiner Meinung nach gute Chancen, aber auch Käsereien oder eine gute Eisdiele würden in Estland noch fehlen. „Wenn die Qualität stimmt, dann läuft das schon“, ist er überzeugt.

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Zu dem Text wäre bei Bedarf ferner ein Infokasten mit Kontaktadressen möglich:

Wirtschaftliche Kontakte: Enterprise Estonia, Wirtschaftsförderung Estland, Ballindamm 26, 20095 Hamburg, Tel. 040-30387899, www.eas.ee oder
Deutsch-Baltische Handelskammer von Estland, Lettland, Litauen, Suurtüki 4B, 10133 Tallinn, Estland, Tel: 00372-6276955, www.ahk-balt.org
Touristische Informationen: Baltikum Tourismus Zentrale Katharinenstraße 19-20, 10711 Berlin, Tel.: 030-89009091, www.baltikuminfo.de oder
Anreise: Flug mehrmals pro Woche mit Estonian Air von z. B. von Hamburg, Frankfurt, Berlin oder München nach Tallinn, Flug ab 185 Euro (Hin und zurück inkl. Gebühr).

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Fotos: Kay Peter A. Bischoff; Die drei Schwestern (Fotos: Alexandra Frank)



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