Polen

Polen setzt auf Autogas


von Benjamin Haerdle (E-Mail: bhaerdle@gmx.de, Tel.: 0176/29405117)

Olsztyn (n-ost). Es war ein teurer Sommer für Deutschlands Autofahrer. Der Volkszorn kochte hoch, als der Benzinpreis an den Tanksäulen in Schwindel erregende Höhen stieg. Besser hatten es da viele Autofahrer in Polen. Beim großen östlichen Nachbarn ist das deutlich billigere und emissionsärmere Autogas voll im Trend. Eine Alternative, die hier zu Lande noch wenig beachtet wird. Vor fünf Jahren stieg Wojciech Sliwowski aus Danzig auf Autogas um. „Dadurch habe ich eine Menge Geld gespart“, bilanziert er nun sichtlich zufrieden. In Polen gibt es den Liter Autogas oder Flüssiggas derzeit umgerechnet für etwa 35 bis 40 Cent. Der Liter Benzin kostet östlich der Oder derzeit mehr als das Doppelte. Das rechnet sich für den Arzt, der zudem nach eigener Aussage auf langen Strecken weniger Treibstoff verbraucht als früher.

Doch der günstige Spritpreis ist nicht der einzige Pluspunkt, den der 58-Jährige ausgemacht hat. „Der Motor ist leiser geworden“, sagt Sliwowski und führt noch einen praktischen Vorteil an: „Wenn in Nordpolen im Winter die Temperaturen drastisch unter Null fallen, kann meine Tankfüllung nicht einfrieren. Das ist mir früher bei meinem Diesel passiert“.

Der Danziger Frauenarzt ist kein Einzelfall im Land zwischen Oder und Bug: Mehr als 900.000 Fahrer tanken Autogas, Platz zwei in Europa hinter Spitzenreiter Italien (1,2 Millionen). Deutschland hinkt weit hinterher. „18.000 flüssiggasbetriebene Autos sind hier unterwegs“, schätzt Robert Schneiderbanger vom Deutschen Verband Flüssiggas (DVFG). Ähnlich trist sieht es aus der Sicht des DVFG-Geschäftsführers auch beim Tankstellennetz aus: Lediglich rund 600 Zapfstellen bieten bundesweit Autogas an.
Im Vergleich dazu herrschen in Polen paradiesische Verhältnisse. Einschlägige Internetseiten listen mehr als 3400 Nachschubshops für das in Polen auch als LPG (Liquified Petroleum Gas) bezeichnete Gas auf. Aufmerksame Autofahrer, die im Sommer beliebte Urlaubsziele wie Masuren oder die Ostseeregion ansteuern, finden in dichten Abständen Hinweisschilder mit „Auto Gaz“ oder „LPG“, gelegentlich sogar in Vorgärten kleinerer Gehöfte entlang der Straße, ansonsten aber an fast jeder großen Tankstelle.

Mit der Autogasversorgung auf deutschem Boden machte Wojciech Sliwowski schlechte Erfahrungen: „Schwer zu finden und zu wenige“, klagt er. Doch wie die meisten Polen setzte er bei der Umrüstung seines Kia Joyce auf einen bivalenten Antrieb, so dass er wahlweise mit Flüssiggas oder Benzin fahren kann. 2400 Zloty (etwa 560 Euro) kostete ihn dieser technische Eingriff, in Deutschland je nach Fahrzeugtyp und Gasanlage zwischen 1800 und 2500 Euro. Der Umbau kann sich nach Angaben des DVFG ab einer Fahrleistung über 35.000 Kilometern bereits lohnen.

Sliwowski hat seinen Entschluss von vor fünf Jahren, auf Autogas umzusteigen, nicht bereut. Einen Leistungsabfall seines Motors, wie er nach dem technischen Eingriff vorkommen kann, hat er nicht beobachtet. Viel mehr nervt ihn, dass der Gastank einiges an Platz weg nimmt. Verzichten muss er deshalb auf seinen Reservereifen. Und dies könnte auf den schlechten polnischen Straßen wirklich ein Nachteil sein.

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