Estland

Die „Schweiz des Baltikums“ – ein Geheimtipp für Wintersportler


von Alexandra Frank (E-Mail: post@alexandrafrank.de)

Tallinn (n-ost). Im Winter sind die Tränen der Mutter zu Eis gefroren. Daraus soll er nämlich bestehen, der Pühajärv, übersetzt „Heiligensee“, im Süden Estlands. Unter den zahlreichen Sagen und Legenden, die um das Gewässer kreisen, ist die der Mutter, die ihre im Kampf gefallenen Söhne betrauert, die bekannteste. Ihre Tränen bildeten den See und die sich darin befindlichen Inseln sind die Grabhügel der Gefallenen.
Von Traurigkeit ist indes nichts zu spüren wenn kreischende Kinder mit ihren Schlittschuhen über das Eis gleiten und dick vermummte Fischer dem im Baltikum sehr beliebten Eisangeln nachgehen. Im Gegenteil, zwischen Dezember und März ist in dem Gebiet rund um den See, einschließlich der davon nordöstlich gelegenen Stadt Otepää, Hochsaison.

Die Esten, die einen Hang zu Superlativen und klangvollen Bezeichnungen ihrer Sehenswürdigkeiten haben, haben die von 2.500 Einwohnern bewohnte Stadt zur „Winterhauptstadt Estland“ gekrönt. Die hügelige Gegend ringsherum wird die „Schweiz des Baltikums“ genannt. Doch damit liegen sie auch gar nicht so falsch, weiß Andres Vainumäe, Este und Besitzer eines auf das Baltikum spezialisierten Reisebüros in Hamburg. „Otepää ist das sicherste Schneegebiet des ganzen Baltikums“, so Vainumäe. „Sowohl von der Infrastruktur als auch den sportlichen Möglichkeiten her ist die Stadt auf Tourismus eingestellt.“
Eins vorweggenommen: Mit Bergen, die eine maximale Höhe von 200 bis 318 Metern erreichen, ist das nordbaltische Land nicht gerade ein Mekka für Alpinisten, doch vor allem Langläufer kommen auf ihre Kosten. Spätestens seit die deutsche Langläuferin Claudia Künzel beim diesjährigen Weltcup-Rennen hier siegte, wird dies langsam auch unter deutschen Skifans bekannt.

Die deutsche Urlauberin Annette Steinmeyer gehört zu den Touristen, die daraufhin in eine unter Wintersportlern eher unbekannte Gegend gereist sind. Sie und ihre Familie sind begeistert: „Mir gefällt nicht nur die wunderschöne, eiszeitlich geprägte Moränenlandschaft entlang der Skiloipen, wir geben hier im Vergleich zu anderen Skigebieten auch wesentlich weniger Geld aus.“
Zwischen 35 und 80 Euro kostet ein Doppelzimmer in einem der 50 Hotels, Pensionen oder Ferienhäuschen der Otepää-Region. Skizubehör ist für acht bis 20 Euro zu mieten, der passende Unterricht ist ebenso für acht und eine warme Mahlzeit in den Kneipen vor Ort ist schon ab drei Euro zu haben.

Obgleich laut Auskunft der Fremdenverkehrszentrale in Otepää im letzten Winter rund 45.000 Touristen die kleine Stadt besuchten, geht es hier vergleichsweise ruhig zu. „Natürlich haben wir After-Ski-Kneipen und auch zwei Nachtclubs, wo man bis morgens tanzen kann, aber wenn man nicht gerade zum Worldcup oder Tartu Marathon, dem größten Ski Wettbewerb des Landes, anreist, hat man gute Aussicht auf eine ruhige, angenehme Zeit“, so Mare Raid vom Tourismus Informationsbüro der Stadt. „Unsere ein bis 14 Kilometer langen Langlaufstrecken führen durch ein großes Naturreservat, in dem nur wenige Menschen unterwegs sind.“ Diese Beobachtung teilt auch Annette Steinmeyer: „Die Ruhe ist herrlich, im Moment ist Südestland doch noch so etwas wie ein Geheimtipp unter Langläufern.“ Lediglich Skiwanderungen, gibt sie zu bedenken, sind in dem kleinen nordbaltischen Land noch nicht möglich, da die zum Teil nachts beleuchteten Wege eher sternförmig oder als Rundläufe angelegt sind und die Unterkünfte außerhalb Otepääs zu weit auseinander liegen.

Dafür hat die kleine Stadt, die sich 230 km südlich der Hauptstadt Tallinn in der Nähe der estnisch-lettischen Grenze befindet, andere Dinge zu bieten, findet Mare Raid und zählt auf: „Abfahrtpisten und Schlittenhügel, ein Trainingszentrum für alpinen Skilauf, Schlittschuh-, Motorschlitten- und Snowboardverleih, Kutschfahrten, Eisfischen und sogar ein kleines Skimuseum.“ Letzteres dokumentiert die Geschichte des estnischen Skisportes, der – vor rund einem Jahrhundert von Skandinavien kommend - schnell in Estland bekannt wurde. Seit in Otepää 1934 die erste Sprungschanze gebaut wurde, hat der Ort sich zum beliebtesten Winterzentrum des Landes entwickelt, wo vor allem der Inlandstourismus boomt.
Aufgrund der unbeständigen Wetterlage in den letzten Jahren herrsche zwar auch hier keine Schneegarantie mehr, so Mare Raid, aber für einen derartigen Fall kann sie eine besondere Spezialität empfehlen: den Besuch einer typisch estnischen Rauchsauna mit anschließendem Sprung in ein Eisloch. Dies ist übrigens auch im Pühajärv, dem Heiligensee, möglich.

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Für einen Infokasten wären folgende Angaben möglich:
Touristische Informationen: Baltikum Tourismus Zentrale, Katharinenstraße 19-20, 10711 Berlin, Tel.: 030-89009091, www.baltikuminfo.de oder
Mare Baltikum Reisen, Eichenstraße 27, 20259 Hamburg, Tel. 040-494111, www.mare-baltikum-reisen.de

Anreise: Flug von Hamburg, Berlin, Frankfurt am Main oder München mehrmals pro Woche mit Estonian Air nach Tallinn, Flug ab circa 185 Euro (Hin und zurück inkl. Gebühr). Es gibt drei direkte Verbindungen mit dem Bus von Tallinn nach Otepää, aber oft ist es schneller mit dem Expressbus nach Tartu zu reisen. Von dort aus geht es elf Mal täglich nach Otepää. Empfehlenswerter ist ein Mietwagen, damit man auch vor Ort unabhängiger ist. Entfernungen: Tallinn-Otepää 231 km, Tartu-Otepää 42 km, Riga (Lettland)-Otepää circa 200 km.

Veranstaltungen in Otepää 2005: 7. - 8. Januar: FIS World Cup Cross Country Ski (15 km Frauen, 30 km Männer), 13. Februar: Tartu Maraton (31 und 63 km), 19. Februar: Goldfish – Eisfischparty auf dem Pühajärv, kleinere Skiwettbewerbe im März

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Das Foto „Schlitten“ stammt von der Tourismusinformation Otepää, dies bitte mit anfügen. Alle drei Bilder zeigen die winterliche Landschaft um Otepää.


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