Ukraine

Bedingungen für demokratische Wahlen

Ein geworfenes Ei ließ Viktor Janukowitsch Anfang September auf einer Wahlveranstaltung in Ivano-Frankovsk zu Boden fallen. Er wurde in ein Krankenhaus eingeliefert, befand sich jedoch nicht in Lebensgefahr, wie seine Pressesprecher eilig bestätigten. Man sprach von einem terroristischen Anschlag. Auch Oppositionskandidat Viktor Juschtschenko sah tatsächlich schlecht aus nach einem angeblichen Vergiftungsversuch, den man dem politischen Gegner zuschrieb, der aber von den behandelnden Ärzten in Österreich nicht bestätigt wurde.

Von dreiundzwanzig Kandidaten sind die beiden Viktors die eigentlichen Konkurrenten um das Amt des ukrainischen Präsidenten. Allerdings liegen beide mal in Führung oder sind mal weit abgeschlagen, je nach Meinungsumfrage und durchführendem Institut. Um daraus entstehender Unsicherheit und Manipulation vorzubeugen, untersagte die Zentrale Wahlkommission inzwischen, Meinungsumfragen während der zwei Wochen vor der Wahl zu publizieren. Den Spekulationen sind dennoch keine Grenzen gesetzt: Wird die Ukraine russifiziert, wenn der amtierende Premier Janukowitsch wie angekündigt, die doppelte Staatsbürgerschaft und Russisch als Amtsprache einführte? Droht Verwestlichung und Amerikanisierung, wenn Oppositionsführer Juschtschenko ins Amt gelänge? Diese Art der Meinungsmache betreiben beide Seiten gleichermaßen.

Fakt ist, dass der zweimal vorbestrafte Politiker Janukowitsch für eine Intensivierung der Beziehungen mit Russland steht. Er erfreut sich der Unterstützung Kutschmas, Putins und Lukaschenkos, der kürzlich in einer von der OSZE als Farce bezeichneten Wahl zum dritten Mal in seinem Amt als Präsident von Belarus bestätigt wurde. Janukowitsch hingegen hat die Administration hinter sich, die geballte Macht des Staates. Alle Angestellten der öffentlichen Verwaltung sind aufgerufen, ihm bei der Wahl ihre Stimme zu schenken. Der mögliche Verlust des Arbeitsplatzes ist da ein effektives Druckmittel.

Juschtschenko, der das Land dem Westen annähern möchte, hat in der Bevölkerung als Führer einer schikanierten Opposition ein besseres Image. Landesweit befinden sich politisch engagierte Studenten und Aktivisten in Polizeigewahrsam. Das Kiewer Büro von Pora! (Es ist Zeit!), einer politischen Kampagne, die sich für demokratische Wahlen einsetzt, wurde durchsucht. Die Polizei präsentierte angeblich gefundenen Sprengstoff, Pora-Aktivisten sprachen von einer Inszenierung. Ein ausländischer Student wurde des Landes verwiesen, anderen NGO-Aktivisten die Einreise verwehrt.

Diesen Turbulenzen steht eine unter den Wählern verbreitete resignative Einstellung gegenüber, ohnehin nur das kleinere zweier Übel wählen zu können. Nicht wenige Bürger sind überzeugt davon, mit ihrer Stimme ohnehin nichts bewirken zu können, und davon, dass das Resultat ohnehin keinen Unterschied mache. Man munkelt von gekauften Stimmen ganzer Dörfer gegen Wagenladungen von Gummistiefeln, oder von bezahlten Transporten für Studenten zu Wahlveranstaltungen. Wird also das Wetter die ukrainischen Wahlen entscheiden? Die Wahlprogramme der beiden Rivalen unterschieden sich kaum, so die Studie einer Bank. Ukrainische Wähler sind durch die geographische Lage, Alter und Sprache polarisiert. Scheint also die Sonne, wird möglicherweise Janukowitschs ländliche Anhängerschaft im Süden und Osten der Ukraine zu den Urnen strömen und damit die Wahl entscheiden. Regen könnte Juschtschenko im Westen des Landes bessere Chancen bringen.

Die EU und die USA haben zu fairen und korrekten Wahlen aufgerufen. Demokratische Wahlen seien entscheidend für die weiteren Beziehungen des Westens zur Ukraine. Die OSZE plant mit 600 Abgesandten eine ihrer bisher größten Wahlbeobachtungen. In der Ukraine, heißt es, gäbe es anders als in Russland und Belarus tatsächliche Alternativen und deshalb immerhin Bedingungen für ein demokratisches Ergebnis.


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