„Sie fallen einem nicht um den Hals”
Nach Polen kam Munyama vor 22 Jahren, um zu studieren. Das demokratische Sambia verfügte dorthin seit der Zeit seiner Unabhängigkeit 1964 über gute Kontakte. Als der Afrikaner sein Land verließ, wurde das sambische Landwirtschaftsministerium bereits von einem Absolventen aus Polen verwaltet. Munyama studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Posen mit der Fachrichtung Außenhandel. Auf der Geburtstagsfeier eines Freundes lernte er seine künftige Frau kennen. Die Möglichkeit, zu promovieren, stand in Aussicht. So blieb er in Polen, wo er 1990 heiratete.
Polen ist ein Land, in dem es vergleichsweise wenige Ausländer gibt. Afrikaner sind eine Seltenheit. Probleme blieben nicht aus: Anfang der 80er Jahre wurden Munyamas afrikanische Kollegen auf dem Unicampus überfallen. „Zigaretten her!“, hieß die Aufforderung. Sie hatten aber keine. Daraufhin wurden sie zusammengeschlagen. „Das kann aber jedem passieren.”, relativiert Munyama den Fall. „Was ich aber nicht akzeptieren konnte, war die mangelnde Toleranz.” Der Afrikaner begegnete Polen, die an Größenwahn litten und ihm zu verstehen gaben: „Du bist schwarz, du musst schlechter sein.“. Er und seine afrikanischen Kollegen mussten darum kämpfen, dass sie ernst genommen wurden. „Man muss hart werden.“ Das gelang nicht allen.
Dr. Marek Krajewski, Soziologe an der Adam-Mickiewicz-Universität Posen vermutet, dass viele Polen ein schwach ausgeprägtes Selbstwertgefühl haben. Deshalb sei ihr Unwillen gegenüber anderen eine Möglichkeit, sich für etwas Besseres zu halten. Krajewski beobachtet eine ambivalente Haltung. Einerseits wollten viele Polen nur unter ihresgleichen leben und treten offen fremdenfeindlich auf. Andererseits gebe es gute Beispiele für die rasche Integration von Ausländern. „Stereotype werden abgeschwächt, wenn die Ursachen bekannt werden.”.
Munyama sei hatte bei den Wahlen gerade wegen seiner Herkunft einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz, meint der Soziologe. Polnische Politiker würden weniger wegen ihres Programms oder ihrer Kompetenzen gewählt, sondern wegen eines kleinen Unterschieds, der sie bekannt macht. Im Falle von Munyama seien es die Hautfarbe und seine Herkunft.
Seinen Erfolg bei den Kreisratswahlen erklärt sich Munyama so: „Die lokale Gesellschaft hält mich für einen der ihren, weil sie sieht, dass ich etwas für sie tue.“. Munyama hält Vorlesungen an der Wirtschaftsuniversität in Posen. Seit 1993 leitet er sein eigenes Dienstleistungs- und Consulting-Unternehmen, das mit der EU zusammen arbeitet und zudem eine Sprachschule betreibt. Gerade seine Erfahrung mit EU-Projekten werde geschätzt: „Die Leute in der Provinz sind oft nicht imstande, die Chancen, die ihnen die Mitgliedschaft in der EU eröffnet, wahrzunehmen. Jugendliche fern von großen Ballungsgebieten haben keine großen Möglichkeiten, Fremdsprachen zu lernen.“ Munyama arbeitet bereits seit zwei Jahren im Kreisrat. Er steht in Opposition zur Mehrheit. Trotzdem ist es ihm gelungen, den Kreisrat mehr für die EU zu interessieren. Aufgrund des Engagements des Mannes aus Schwarzafrika wurden zusätzliche Anträge auf EU-Mittel gestellt. Eine Kreisstraße kann nun gebaut und das Kreisamt renoviert werden.
Munyama ist in Polen auch über seinen Heimatkreis hinaus bekannt. Immer wieder wird er um Interviews gebeten, von der Boulevardpresse und von Illustrierten, die sich eher für sein Privatleben interessieren. Sein gesellschaftliches Engagement und das perspektivische Denken über die Zukunft der eigenen Region werden oft als Vorwand genutzt, um einen Sonderling zu zeigen. Dabei fühlt sich Munyama nach 22 Jahren in Polen längst nicht mehr fremd.
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