Eine rote Schleife auf dem Siegesgipfel
Joachim Franz hat eine Vision: Der Extremsportler möchte eine knallrote Aids-Schleife, die zweieinhalb Meter groß ist, auf dem höchsten Berg Kirgisiens aufstellen. Seit Ende Juni ist der Wolfsburger mit seinem Team der „Sign! Aids Awareness Expedition 2004“ unterwegs. Mehr als 8 000 Kilometer liegen bereits hinter den Abenteurern.
Dass er einmal den höchsten Berg Kirgisiens erklimmen würde, hätte Joachim Franz vor 15 Jahren vermutlich noch mit einem ungläubigen Kopfschütteln kommentiert. Damals wog der Mittvierziger noch 118 Kilo und galt als notorischer Sportmuffel. Erst gesundheitliche Probleme zwangen ihn zum Abnehmen. Er begann mit dem Lauftraining und verlor über 40 Kilo Körpergewicht.
Mittlerweile kann Joachim Franz auf drei Einträge ins Guiness-Buch der Rekorde zurückblicken und gilt als einer der erfolgreichsten Extremsportler der Welt. Dabei sorgt der Deutsche immer wieder mit ungewöhnlichen Rekorden für Aufsehen: So hat er bereits eine Tour mit dem Mountain-Bike von Paris nach Dakar zurückgelegt und hält die Weltbestzeit im Inline-Skating über 200 Kilometer. Aber auch eine 400 Kilometer lange Schneeschuh-Tour durch Norwegen oder die „West-Step-East-Tour“, bei der er mit einem Tretroller den Ural überquert hat, zählen zu seinen persönlichen Bestleistungen.
Bei all diesen Rekorden steht jedoch nicht nur der Sport im Vordergrund, sondern auch der soziale Aspekt: Joachim Franz engagiert sich bereits seit fünf Jahren für die Aids-Aufklärung. Sein neuestes Projekt im Kampf gegen die HIV-Epidemie ist eine 8 000 Kilometer lange Autorallye, die ihn seit Ende Juni mit seinem Team von Wolfsburg nach Kirgisien geführt hat: Ziel der Reise ist der 7 438 Meter hohe Pik Pobedy („Friedensgipfel“) im Tian Shan-Gebirge, unweit der chinesischen Grenze, der selbst von erfahrenen Bergsteigern gefürchtet wird. Mit seiner „Anti-Aids-Tour“ möchte er ein Zeichen setzen, erklärt Franz. Im wahrsten Sinne des Wortes: Denn auf dem Berggipfel soll eine zweieinhalb Meter große rote Aids-Schleife aus Leichtmetall aufgestellt werden. Damit möchte der Sportler die Öffentlichkeit verstärkt für die Aids-Problematik sensibilisieren. Das Solidaritätssymbol haben Auszubildende der Volkswagen AG in Wolfsburg angefertigt. Der Hauptsponsor der Expedition hat den Abenteurern auch drei Kleinbusse zur Verfügung gestellt, mit denen sie derzeit unterwegs sind.
Die Reiseroute führt das Team quer durch Osteuropa und Zentralasien: Berlin, Warschau, Minsk, Kiew, Moskau, Astana und Bischkek heißen die Etappenziele. Dabei hat die Mannschaft in jeder Hauptstadt einen Zwischenstopp eingelegt, um sich mit Regierungsvertretern, Journalisten und Aids-Initiativen zu treffen – die sich mit ihrer Unterschrift auf der roten Schleife verewigen können. Mit seiner Aktion hofft Franz bewusst auf so genannte Multiplikatoren, die einer breiten Bevölkerungsschicht von der Aktion erzählen. Damit setzt der Sportler auch auf Nachahmer der Aktion: „Wir erhoffen uns eine Vorbildfunktion, dass uns dabei viele Jugendliche und Sportler nacheifern.“
Unterstützung erfährt das sportliche Kollektiv von höchster Seite: So haben Bundeskanzler Gerhard Schröder sowie der kirgisische Präsident Askar Akajew die Schirmherrschaft für die Anti-Aids-Expedition übernommen. Aber auch der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff unterstützt das Vorhaben, und in Berlin wurden die Teilnehmer vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit empfangen. „Noch vor wenigen Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass wir auf solch hoher politischer Ebene Unterstützung finden“, sagt Franz. Er sieht dies vor allem als Zeichen für ein verändertes Bewusstsein in allen Teilen der Gesellschaft – auch in Politik und Wirtschaft.
Insgesamt sind gut 150 ehrenamtliche Helfer in die Expedition involviert und kümmern sich um Pressearbeit, virtuelles Tagebuch oder Anfragen. Mit Joachim Franz unterwegs sind jedoch nur elf Abenteurer: Sechs Deutsche, ein Engländer, ein Amerikaner, ein Südafrikaner und zwei Kasachen. Bei der Bergerklimmung, die in diesen Tagen beginnt und bis Mitte August dauern soll, schließen sich auch kirgisische Bergführer an, die das Terrain kennen. Für Joachim Franz wird es der höchste Berg sein, den er je besteigt. Lachend bezeichnet er sich selbst als „Schüler“, denn bislang habe er nur „Sechstausender“ erklommen.
Die Idee zu der Osteuropa-Tour entstand bereits vor zwei Jahren: Ein wissenschaftlicher Berater der Extremsport-Gruppe machte Franz auf die sich ausbreitende Aids-Epidemie in der Region aufmerksam. Es sei wichtig, hier ein Zeichen zu setzen, da die Zahl der Neuinfektionen in Osteuropa und Zentralasien deutlich höher sei als etwa in Südafrika, so Franz. Aids wurde vom Kinderhilfswerk Unicef zum Gesundheitsrisiko Nummer eins in Osteuropa und Zentralasien erklärt: Etwa anderthalb Millionen Menschen sind hier mit dem Virus infiziert, schätzt die internationale Hilfsorganisation Unaids („Joint United National Programme on HIV/AIDS“). Die Vereinigung erhält alle Erlöse aus Filmen und Fotos, die während der Expedition gemacht werden. Am 22. September soll das Gipfelfoto an Unaids übergeben werden – wenn alles gut geht, hofft Franz.