Montenegro: Gefährliches Land für Journalisten
Ist der montenegrinische Enthüllungsjournalist Jovo Martinovic in den organisierten Drogenhandel eingestiegen, um sein Gehalt aufzubessern? Das wirft ihm die montenegrinische Staatsanwaltschaft vor. Seit über einem Jahr sitzt der Journalist bereits in Untersuchungshaft, davon sieben Monate ohne Anklage.
Der Hauptangeklagte im Prozess Dusko Martinovic, nicht mit Jovo Martinovic verwandt, entlastete den Journalisten hingegen vergangenen Donnerstag beim Prozessauftakt. Dieser habe nicht am Drogenschmuggel teilgenommen. Die Kontakte dienten lediglich der Arbeit an einem Film über den Hauptangeklagten. Laut der Anklage soll Jovo Martinovic Dusko Martinovic dabei geholfen haben, den Messenger „Viber“ auf seinem Handy zu installieren und somit im Drogenhandel vermittelt haben.
Der deutsche Bundestagsabgeordnete Josip Juratovic (SPD) kritisiert dieses Vorgehen: „Sieben Monate U-Haft ohne Anklage entsprechen nicht europäischen Maßstäben von Rechtsstaatlichkeit. Umso wichtiger ist, dass die EU Montenegros Beitrittsprozess konsequent nutzt, um zum Wohle der Montenegriner Druck zu machen.“ Montenegro soll bald Nato-Mitglied werden, und auch die EU-Beitrittsverhandlungen sind weiter fortgeschritten als bei jedem anderen Kandidaten.
Die Anklage gegen Jovo Martinovic wird von Kritikern in der Region als weiterer Schlag gegen die Pressefreiheit in Montenegro interpretiert. Das Land liegt auf Platz 106 von 180 im dem Ranking zur Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“. Bei den Parlamentswahlen in Montenegro vor zwei Wochen waren auf Drängen der Behörden zeitweise weder die Messenger-Dienste Whatsapp und Viber erreichbar, noch die Homepage der regierungskritischen Tageszeitung „Vijesti“.
Physische Angriffe auf Journalisten gehören in Montenegro zur Tagesordnung, wobei die Täter meist nicht gefasst werden. Nach Angaben der montenegrinischen Organisation „Human Rights Action“ wurden seit dem Jahr 2012 69 Journalisten Opfer von tätlichen Angriffen, allein im Jahr 2015 waren es demnach 23. In einem Land mit 625.000 Einwohnern eine beachtliche Zahl. Die Ermordung des Chefredakteurs der Tageszeitung „Dan“, Dusko Jovanovic, im Jahr 2004 wurde bis heute nicht aufgeklärt. 2014 wurde die Redaktion der „Vijesti“ Opfer eines Bombenanschlags.
Journalisten regierungskritischer Medien sind besonders häufig Angriffen ausgesetzt. Ihre Zeitungen erhalten im Gegensatz zu den regierungstreuen Medien auch kaum Anzeigen von staatlichen Unternehmen und stehen trotz ihrer hohen Reichweite vor dem finanziellen Ruin.
Die Beweislage gegen Jovo Martinovic ist dünn. Sie basiert auf der Aussage zweier Mitangeklagter, er habe beim Verkauf von 20 Kilogramm Cannabis geholfen. Beobachter von „Human Rights Watch“ und „Reporter ohne Grenzen“ hingegen vermuten, die beiden Mitangeklagten hätten ihre Aussagen im Austausch gegen ein verringertes Strafmaß gemacht. Jovo Martinovic selbst gibt an, die Anklage gegen ihn sei durch seine Weigerung motiviert, mit den Strafverfolgungsbehörden in Montenegro zusammenzuarbeiten. Dies begründet er mit dem Schutz seiner Quellen.
Der Journalist leugnet nicht, Kontakte zu Drogenhändlern gehabt zu haben, verweist aber darauf, dass diese ausschließlich seinen investigativen Recherchen dienten. Mit rüden Milieus ist Martinovic vertraut. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme arbeitete er an einem Dokumentarfilm über Waffenschmuggel aus den Balkanstaaten an islamistische Terroristen in Westeuropa. Der Film „La route de la Kalachnikov“ wurde im Januar vom französischen „Canal Plus“ ausgestrahlt, als Martinovic bereits im Gefängnis saß. Der Prozess gegen ihn wird am 28. November fortgesetzt.
Quellen:
Gespräch mit Josip Juratovic (SPD)
https://www.occrp.org/personoftheyear/2015/
https://www.reporter-ohne-grenzen.de/montenegro/
http://www.cdm.me/drustvo/crna-gora/hra-napade-na-novinare-strogo-kaznjavati
http://www.hraction.org/