Ukraine

Gemischtes Doppel #11: Verbrechen und Strafe

Vor einer Woche saß ich mit Journalistenkollegen in einer Kiewer Kneipe. Schon einmal hatte ich an dem Abend an die ostukrainische Stadt Donezk gedacht. Denn die Bar teilt sich ihren Eingang mit einem der berüchtigtsten Expat-Clubs Kiews. Die Szene in diesem Club erinnerte mich stark an das Restaurant im Donezker Hotel “Ramada”, wo sich die von Russland unterstützten Kämpfer miteinander und mit Prostituierten trafen.

Während wir nun dort saßen, berichtete der russische Propagandaguru Dmitri Kisseljow in seiner allwöchentlichen Sendung über den Tod von Arsen Pawlow, Kommandeur der Separatisteneinheit "Sparta" in der Donezker Volksrepublik. Pawlow war den Russen besser bekannt als “Motorola”: Viele russische Medien hatten den aus dem einfachen Volk stammenden, etwas verwegenen Pawlow zum Helden hunderter Reportagen über den Krieg in der Ostukraine gemacht.

In der Ukraine dagegen gehörte er zu den Hassfiguren der höchsten Kategorie. So war es wenig verwunderlich, dass die ukrainischen sozialen Medien innerhalb weniger Sekunden überfüllt waren mit Screenshots der Sendung. Die Nachricht würde die ukrainischen Nachrichten für die gesamte kommende Woche dominieren.

Die Geschichte wurde in allen möglichen Versionen aufgeschrieben, aber die Infos waren fast immer die gleichen und kamen direkt von der Donezker Volksrepublik. Das ist kein Zufall: In den letzten Monaten bekommen kaum noch westliche Journalisten - geschweige denn ukrainische - eine Akkreditierung für die “DNR”. Die offizielle Version lautet: “Motorola” wurde im Fahrstuhl seines Hauses von einer Bombe getötet, die vom ukrainischen Geheimdienst gelegt wurde.

Die meisten Ukrainer bejubelten seinen Tod. Man überschlug sich mit schwarzem Humor über seinen nom de guerre, meist mit dem Hinweis darauf, dass er vielleicht besser Samsung Galaxy hätte heißen sollen.

Pawlow wird so gehasst in der Ukraine, weil er laut einem Augenzeugen nicht nur EINEN ukrainischen Kriegsgefangenen erschossen hat, sondern in einem Interview offen damit prahlte, ihrer 15 erschossen zu haben. Und dann war er auch noch Russe. Also nicht russisch-sprachiger Ukrainer, nicht ukrainischer Staatsbürger russischer Herkunft, sondern ein waschechter Russe, im Frühjahr 2014 aus Russland gekommen, um in der Ukraine zu kämpfen.

Aber auch wenn viele es sich wünschen würden: Kaum ein Ukrainer glaubt daran, dass hinter Motorolas Ermordung eine ukrainische Organisation steht. Es gibt einfach keine Organisationen, die fähig wären, auf dem Gebiet der Separatisten solche Operationen durchzuführen. Zwar brüstete sich eine ukrainische Neonazi-Organisation damit, hinter dem Mord zu stehen, ernst zu nehmen sind solche Verlautbarungen aber nicht. Eher scheint sein Tod zu einer Serie von Morden an Separatistenführern der ersten Stunde in der benachbarten Luhansker Volksrepublik und in Russland zu gehören. Experten vermuten, dass Russland die Morde organisiert hat, um die Separatisten-Gebiete leichter kontrollieren zu können.

Für die Weltöffentlichkeit - wenn sie überhaupt davon Kenntnis genommen hat - war der Mord eine Erinnerung daran, dass in der Ukraine noch immer Krieg herrscht.

Aber für eine sehr kleine Gruppe war sein Tod eine Tragödie. Damit ist nicht Donezk gemeint,  wo er er als Held gefeiert wurde, auch nicht russische nationalistische Kreise, die ihm kurz nach seinem Tod mit einem Graffiti ein Denkmal setzten. Nein, es sind vielmehr jene, die daran geglaubt hatten, dass Menschen wie Pawlow eines Tages vor Gericht stehen würden für die von ihnen begangenen Menschenrechtsverletzungen. Nun gehört auch  "Motorola" zu jenen, über die man auf Russisch sagt: Möge Gott ihr Richter sein.

Das Gemischte Doppel gibt persönliche (Ein)-Blicke auf die Ukraine und Russland, geschrieben von Inga Pylypchuk und Ian Bateson (Ukraine) sowie Maxim Kireev und Simon Schütt (Russland). Das Gemischte Doppel ist Teil des Internationalen Presseclubs „Stereoscope“ von n-ost. Für Abonnenten immer montags als Newsletter und auf ostpol.

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