Umstrittener Partner in der Flüchtlingsfrage
Die Balkanroute wurde nicht erst mit dem Deal zwischen der EU und der Türkei geschlossen, sondern bereits Wochen zuvor, als das kleine Balkanland Mazedonien seine Grenze für Flüchtlinge dichtmachte.
Die Zusammenarbeit in der Flüchtlingsfrage wird nun von den deutschen Unionsparteien gewürdigt. Derzeit befindet sich eine Delegation der rechtskonservativen mazedonischen Partei VRMO in Berlin. Angeführt wird diese von Nikola Gruevski, dem mächtigen Mann in Mazedonien. In die Wege geleitet wurde das Treffen vom CSU-Bundestagsabgeordneten Tobias Zech. Mitglieder der Opposition und der Zivilgesellschaft wurden nicht eingeladen.
Nikola Gruevski war bis zum Januar Premierminister Mazedoniens, trat jedoch im Zuge des von der EU-vermittelten Przino-Abkommens zurück. Das Abkommen sollte faire und freie Wahlen ermöglichen. Formell hielt Gruevski alle Termine ein, damit eine Übergangsregierung Wahlen organisieren kann. Aber keine der Abmachungen, die zu freien und fairen Wahlen führen sollten, wurde von ihm erfüllt. Die Neuwahlen im April konnten nicht stattfinden, weil sie von allen relevanten Oppositionsparteien boykottiert wurden.
Ein erster Schritt aus der Krise?
Die Opposition wirft Gruevski illegale Geschäfte und Bestechung vor. Außerdem habe die Regierung politische Gefangene genommen, kritische Journalisten ins Gefängnis werfen lassen und versucht, den Mord an einem jungen Mann zu vertuschen, der von Gruevskis Sicherheitskräften zu Tode geprügelt worden war. An Macht hat Nikola Gruevski seit seinem Rücktritt jedoch nicht eingebüßt. Kaum jemand in Mazedonien zweifelt daran, dass er weiterhin die politischen Fäden in der Hand hält.
Vor dem Hintergrund der politischen Situation in Mazedonien bewertet Josip Juratovic (SPD), im Auswärtigen Ausschuss zuständig für Südosteuropa, die Einladung der CDU/CSU an den umstrittenen ehemaligen Ministerpräsidenten Gruevski kritisch. Juratovic fordert: „Das Przino-Abkommen muss rasch umgesetzt werden, die Wahlen am 11. Dezember müssen nach internationalen demokratischen Standards durchgeführt werden und jegliche Verzögerung muss aufhören.“ Denn an der schnellen Umsetzung der Vereinbarungen hänge die Glaubwürdigkeit aller beteiligten Akteure, so Juratovic weiter.
Mittlerweile steigt die Hoffnung wieder, dass in Mazedonien doch noch freie Wahlen abgehalten werden. Vergangene Woche wurde im mazedonischen Parlament eine Übergangsregierung gewählt, die Wahlen für den 11. Dezember vorbereiten soll. 95 Abgeordnete stimmten dafür, nur zwei dagegen. Dies könnte ein erster Schritt zur Beendigung der politischen Krise sein, welche seit nunmehr zwei Jahren anhält und regelmäßig zu Massenprotesten führte.
Die Medien sind in der Hand von Gruevskis Leuten
Regierung und Opposition hatten sich zuvor über eine Reform des Mediensektors geeinigt. Außerdem sollen zehntausende Karteileichen aus dem Wählerverzeichnis gestrichen werden, die bislang zu Wahlbetrug einluden. Schließlich wurde eine Sonderstaatsanwältin eingesetzt, die den weitreichenden Korruptionsvorwürfen gegen Nikola Gruevski nachgehen soll.
Kritiker bemängeln jedoch, dass das Wahlverzeichnis de facto noch nicht aktualisiert ist, die Sonderstaatsanwaltschaft die Arbeit noch nicht richtig aufnehmen konnte und die Medien weiterhin fest in der Hand von Gruevskis Gefolgsleuten sind.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Erweiterungskommissar Johannes Hahn haben die Einigung der zerstrittenen Parteien in Mazedonien auf einen Wahltermin und Reformen begrüßt. Gruevski selbst zeigte sich weniger versöhnlich: „Das Volk wird die Sozialdemokraten bestrafen“, sagte er. Laut Gruevski ist nämlich die Opposition für die anhaltende Krise verantwortlich. Kritik an seinem autoritären Führungsstil weist er schroff zurück.
Und trotzdem wird Gruevski von der Europäischen Union hofiert. Insbesondere die Konservativen, allen voran die deutschen Unionsparteien und die österreichische ÖVP, halten ihn für einen wichtigen Partner, seit Mazedonien die Balkanroute geschlossen hat. Während Präsident Recep Tayyip Erdogan in der Türkei verhindern soll, dass Flüchtlinge überhaupt das europäische Festland erreichen, hält Gruevski diejenigen fern, die es doch bis nach Griechenland geschafft haben.