Polen

Geteilte Vorfreude auf den Papst

In Bolechowice ist die Aufregung groß. 900 Pilger kommen in wenigen Tagen in dem kleinen Dorf bei Krakau an, allein 300 werden auf dem Grundstück von Familie Wolski untergebracht. Freiwillige und Soldaten bauen gerade Zelte, mobile Toiletten und Duschen auf dem Rasenstück auf. Alles hat die Familie aus eigener Tasche bezahlt. „Wir selbst sind als Pilger so viel Herzlichkeit begegnet“, sagen Malgorzata und Robert Wolski. Diese Herzlichkeit wollen sie nun zurückgeben an die jungen Leute, die ab Dienstag Papst Franziskus im benachbarten Krakau sehen wollen.

Anderthalb Millionen Menschen werden zum Weltjugendtag in Krakau erwartet - überwiegend aus Polen, Frankreich und Italien. Die zentrale Veranstaltung findet vom 27. bis 31. Juli in Krakau statt. Pilger aus dem ganzen Land treffen sich und beten schon in den Tagen zuvor in Diözesen in ganz Polen. Franziskus besucht außerdem das Kloster in Tschenstochau und auch das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.


„Diesem Papst kann man nicht widerstehen“

Das Ehepaar Wolski, beide 40 Jahre alt, gehören zur „Generation JP II“, die mit Johannes Paul, dem polnischen Papst, erwachsen geworden ist. Malgorzata mag aber auch Franziskus sehr. „Er ist so offen und so bescheiden“, schwärmt sie. Franziskus gefalle vielen Polen, sagt auch Vikar Michal Kania, der gerade die Weltjugendtagsflagge bei Wolskis vorbeigebracht hat, die über dem Zeltplatz flattern soll. Kania ist gerade sehr stolz auf seine Gemeinde. Sogar ungläubige Einwohner haben ihre Hilfe zugesagt.

92 Prozent der Polen bezeichnen sich als katholisch. In Sachen Sexualität und Familienleben sind die Polen liberaler als die Amtskirche. Weniger als die Hälfte besucht wöchentlich den Gottesdienst, weit mehr als die Hälfte findet Verhütung und Sex vor der Ehe in Ordnung. Das Verständnis, das Papst Franziskus beispielsweise Geschiedenen entgegengebracht hat, hat ein Großteil der Gläubigen begrüßt. Doch seine Barmherzigkeit gegenüber Flüchtlingen oder Homosexuellen ging vielen zu weit. 70 Prozent der Polen, überwiegend die unter 30-Jährigen, sind dagegen, Flüchtlinge aufzunehmen.


Viele Polen verstehen den Papst nicht

Die Worte eines Papsts in Frage zu stellen sei in Polen eine neue Sache, sagt Priester Tomasz Jaklewicz, stellvertretender Chefredakteur von „Gosc Niedzielny“ („Sonntagsgast“), der auflagenstärksten katholischen Wochenzeitung in Polen. In seiner Redaktion streiten die Mitarbeiter über den Papst. „Einige nehmen ihn euphorisch auf, sagen, er sei derjenige, auf den sie lange gewartet haben“, erklärt Jaklewicz. „Andere distanzieren sich von ihm, verstehen ihn nicht.“

Gläubige und Priester in Polen wüssten nicht mehr, in welche Richtung der Papst die Kirche führe. Auch er selbst hege manchmal Groll gegen den Papst, sagt Jaklewicz. Denn seine Worte und ihre offene Interpretation machten ihm als Redakteur, eigentlich Autorität für seine Leser, das Leben schwer. „Ich weiß nicht, was ich den Lesern schreiben soll“, gibt er etwas verbittert zu. Das Problem mit Franziskus, glaubt Jaklewicz, sei, dass seine Lehre sich so sehr auf Liebe richte. Dabei verschwänden oft die Regeln. Für viele konservative Katholiken eine unakzeptable Verwirrung.

Offiziell bleibt die Kirche in Polen dem Papst treu. Der Sprecher des Episkopats versicherte vor kurzem in einer Presseerklärung, dass die Katholiken in Polen Franziskus „lieben und gehorchen“.


Streitpunkt Flüchtlinge

Doch wenn man schon eine Erklärung abgeben müsse, dann stimme etwas nicht, sagt Adam Szostkiewicz. Der Publizist beobachtet seit mehr als 40 Jahren die katholische Kirche. Doch in Gesprächen unter vier Augen mit den Hierarchen bekommt er oft etwas anderes zu hören. „Ein Bischof sagte mir, er könne nicht darüber reden, aber er findet Franziskus unseriös“, berichtet Szostkiewicz.

Seine Spontaneität, Offenheit, Herzlichkeit – wofür viele Polen Franziskus lieben, ist für manche ein Grund, ihn anzugreifen, vor allem in Internet. Sie bezeichnen ihn als Verräter, falschen Propheten, als Linksradikalen, der das Christentum vor den Muslimen gedemütigt habe. Die Flüchtlinge sind der Punkt, den Franziskus besonders viel Hass in Polen gebracht hat. „Aber sie werfen dem Papst auch seine Fortschrittlichkeit vor“, sagt Szostkiewicz.

Seine Kritiker kann Malgorzata Wolska, die Pilger-Gastgeberin aus Bolechowice, nicht verstehen. Er mache vieles anders, aber er verstoße ja nicht gegen die zehn Gebote. „Mir gefällt, was er tut und sagt“, meint sie. Wenn er in Krakau aufrufe, Flüchtlinge aufzunehmen, finde sich bestimmt auch ein Platz in Bolechowice für sie, versichert auch Vikar Kania. Insgeheim hofft er, dass Franziskus einen Abstecher nach Bolechowice machen wird. Viele Journalisten wollen die Familie sehen, die 300 Pilger eingeladen hat. „Vielleicht wird jemand dem Papst von uns erzählen? Und er sagt, er möchte diese Verrückten besuchen. Wer weiß – Wunder passieren“.


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