Litauen

Skepsis vor Nato-Russland-Rat

Mit einem Trommelwirbel marschiert die Litauische Ehrengarde vor dem Präsidentenpalast in Vilnius auf. Passanten schauen zu, wie die jungen Soldaten den wöchentlichen Flaggenwechsel üben.

Militärpräsenz spielt in Litauen und den anderen baltischen Ländern eine große Rolle. Spätestens seit Russland vor zwei Jahren die Krim annektierte, ist die Angst vor dem mächtigen Nachbarn wieder präsent. Eine junge Frau vor dem Präsidentenpalast erinnert sich daran, dass die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg nach ähnlichem Muster die baltischen Länder besetzte.

Nun fürchten viele Balten, dass Russland in der internationalen Politik nach und nach wieder zurück ins Boot kommt. Erstmals seit Beginn der Ukraine-Krise vor zwei Jahren tagt morgen (Mittwoch) der Nato-Russland-Rat in Brüssel. Litauer, Letten und Esten haben aber vor allem Angst, dass die EU die Sanktionen gegen Russland lockern könnte.

„Ich mache mir Sorgen, dass die Alliierten wegen der Flüchtlingskrise den Ukraine-Konflikt und die Bedrohung der baltischen Länder durch Russland aus den Augen verlieren“, sagte der stellvertretende litauische Verteidigungsminister Marijus Velicka im Gespräch.

Sorgen, die auch die Litauische Präsidentin bei Angela Merkel ansprechen wird. Denn zeitgleich zum Nato-Russland-Rat beginnt Dalia Gribauskaite morgen (Mittwoch) ihren Staatsbesuch in Deutschland.

Die Balten befürworten deshalb, dass die USA ab 2017 eine Panzerbrigade abwechselnd in fünf osteuropäischen Ländern stationieren wollen. „Ich freue mich, dass Amerika solch eine kleines Land wie Litauen beschützen will“, sagt die junge Frau vor dem Präsidentenpalast. Er sei froh, dass Amerika und die NATO demonstrierten, dass im Notfall der Artikel 5 in Kraft treten werde, fügt ein junger Student hinzu. Er wisse nicht genau, wie viele Divisionen Russland in der Nähe der europäischen Ostgrenze stationiert habe, aber die Litauer benötigten Schutz. „Wir Litauer sind aber auch selber aktiv. Wir haben den Wehrdienst wieder eingeführt. Würden sie mich einberufen, ich ginge sofort.“

Litauen hat seit der Ukraine Krise den Verteidigungshaushalt schrittweise erhöht und will bis zum Jahr 2018 2% des Bruttoinlandsproduktes für Rüstung ausgeben. Über 80 Prozent der Bevölkerung unterstützen diesen Kurs, betont der stellvertretende Verteidigungsminister Velicka. Er hoffe, dass der Vorfall der letzten Woche allen Nato-Partnern in Erinnerung rufe, wie unberechenbar Russland ist: Am vergangenen Donnerstag soll ein russisches Jagdflugzeug einen amerikanischen Aufklärungsflieger während eines Routineflugs über der Ostsee bedrängt haben.

Die Regierung in Vilnius hat zwei Sonderbataillone gegründet und ein Gesetz verabschiedet, dass den Soldaten auch in Friedenszeiten erlaubt, auf mögliche Angriffe mit der Waffe zu reagieren. Dass die USA ab kommendem Jahr eine ganze Panzerbrigade zeitweise auch in Litauen stationieren wollen, sehe er als großen Erfolg, sagt der Minister. „Je mehr Alliierte und US-Soldaten auf unserem Boden sind, umso mehr haben wir die Garantie, dass die Alliierten im Kriegsfall eingreifen – und umso mehr Schutz vor unserem aggressiven Nachbarn Russland.“

Moskau habe in der angrenzenden Enklave Kaliningrad immerhin mehr als 35.000 Berufssoldaten – starke See - und Luftstreitkräfte – stationiert. Erst in der vergangenen Woche hätten sie Angriffsattacken geprobt, so Velicka.
Der Politologe Kestutis Girnius hält die Angst der Litauer dagegen für übertrieben. Wladimir Putin wisse, dass jeder Angriff gegen die baltischen Länder zu einer deutlichen Antwort von der Nato führen würde. Auch die Befürchtung, von den westlichen Ländern vergessen zu werden, sei unbegründet. „Niemand hätte vor zwei Jahren gedacht, dass die EU so ernsthafte Sanktionen gegen Russland verhängt. Aber sie sind immer noch in Kraft und werden wohl auch noch um ein halbes oder ganzes Jahr verlängert werden.“

Und doch hätten die Europäer mit Moskaus Syrieneinsatz erkannt, dass Russland ein internationaler Spieler sei, den man nicht einfach isolieren könne, sagt der Politologe. „Wenn der Westen im Kalten Krieg mit Breschnew kooperieren konnte, dann kann er auch heute mit Putin zusammenarbeiten.“

Die Ehrengarde am Litauischen Präsidentenpalast hat ihre Übung beendet und marschiert zu ihrem Stützpunkt zurück. Die Soldaten hoffen, dass der Nato-Russland-Rat nicht an den US- Plänen rütteln wird. Ab 2017 sollen die litauischen Streitkräfte dann gemeinsam mit der amerikanischen Panzerbrigade den Verteidigungsfall üben.


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