Der Quereinsteiger
Jung, dynamisch, politisch unverbraucht: All dies sind Attribute, die dem Politneuling Ryszard Petru zugeschrieben werden. Petru ist Gründer und Chef der im Sommer 2015 aus der Taufe gehobenen, wirtschaftsliberalen Partei „Nowoczesna“ („Moderne“).
Die Petru-Partei, wie seine Gruppierung wegen der dominanten Rolle ihres 43-jährigen Frontmannes genannt wird, schaffte bei den Wahlen im Oktober 2015 auf Anhieb den Sprung ins Parlament. Bekam sie damals gut sieben Prozent der Stimmen, wurde die Partei in Umfragen zwischenzeitlich auf 28 Prozent Zustimmung katapultiert. Aktuell sind es zwischen 14 und 22 Prozent. „Ich stehe vor Ihnen als Führer der Opposition“, sagte der Ökonom selbstbewusst in einer TV-Ansprache zum Neujahr.
Die einstigen Stammwähler Tusks
Der Wahlerfolg des Ex-Bankers ist schnell erklärt: Die Partei punktete vor allem bei Wählern, denen die bis Oktober 2015 regierende Bürgerplattform (PO) in Wirtschafts- und Finanzfragen zu sehr in die Mitte gerückt war. Vor allem die teilweise Wiederverstaatlichung der Privatrente OFE im Jahr 2013, von der Regierung nur wegen klammer Staatskassen vollzogen, verprellte einen Teil der PO-Wähler. Genau diese haben mehrheitlich Petrus Moderne gewählt. Daher habe Ex-PO-Chef Donald Tusk „zur Gründung der Nowoczesna geführt, denn er hat seine Stammwähler verraten“, sagt Petru heute.
Und so ergriff Petru, einst Berater bei der Weltbank und Aufsichtsrat größerer Unternehmen, seine die Chance und präsentierte seine Wahlversprechen: Die Privatrente sollte nicht vollends verstaatlicht werden, das System „3x16“ sollte greifen– Flattax-Steuersätze von 16 Prozent bei der Unternehmens-, Einkommens und Mehrwertsteuer. Faktisch hätte das eine Entlastung höherer Einkommen und die Belastung von Geringverdienern bedeutet.
Schlagfertigkeit und Rhetorik
Heute hat Petru einen neuen Fokus. Der zweifache Vater schießt sich auf die demokratiezersetzenden Machenschaften der regierenden Recht und Gerechtigkeit (PiS) ein. Petru profitiert dabei nicht nur von seiner pointierten Rhetorik und den schlagfertigen Auftritten der Nowoczesna-Abgeordneten. Auch die wohlwollende Behandlung durch liberale Medien, denen die PO ebenfalls zu wenig wirtschaftsliberal geworden war, spielt eine wichtige Rolle.
So kann sich Petru, früher Berater des einst mächtigen Ex-Finanzministers Leszek Balcerowicz, medienwirksam in Szene setzen. Im Parlament wettert er rhetorisch brillant gegen die haarsträubenden Maßnahmen der PiS rund um das Verfassungsgericht. Auf der Straße marschiert er bei den vom Komitee zur Verteidigung der Demokratie (KOD) organisierten Protesten in vorderster Linie. Und in Fernsehinterviews zerpflückt er die PiS-Sozialreformen als „linkes Programm einer sozialen Rechten“.
Die Religion des freien Marktes
Sollte der Höhenflug Petrus in den Umfragen anhalten und es womöglich Übertritte von PO-Mitgliedern zu seiner Partei geben, könnte die PiS versuchen, ihn in die Enge zu treiben. Vor allem, wenn es um die Themen Wirtschaft und Soziales geht, die im Oktober 2015 wahlentscheidend waren. Denn neben den Flattax-Ideen wirbt seine Partei auch für eine weitere Flexibilisierung des Arbeitsrechts und will das System der Sozialleistungen weiter beschränken. „Es ist besser, sein Programm beizubehalten und in Umfragen zu verlieren, als sich daran anzupassen, was die Menschen erwarten“, sagt Petru trotzig.
Seine künftige Position wird indes auch davon abhängen, ob es die PO schafft, sich mit ihrem neuen Chef, Ex-Außenminister Grzegorz Schetyna, aus dem Umfragetief zu befreien und nicht auseinanderzufallen. Bislang stellt die Petru-Partei 28 Abgeordnete im 460-köpfigen Sejm (Unterkammer des Parlamentes). Die PO hat als größte Oppositionskraft 138 Sitze, in Umfragen rangiert sie derzeit indes hinter Petru. Dessen Partei bringt bislang jedoch nur wenige Gesetze ein, ist regional noch nicht verankert – und hat durch ihr Profil faktisch kaum Luft nach oben. „Sollte die Partei weiter der Religion des ‚freien Marktes‘ anhängen, dann wird sich die Zustimmung bei sieben bis acht Prozent einpegeln“, kommentiert der Publizist Piotr Zuk.
Für den Aufwind, in dem sich Petru derzeit befindet, kann sich der Liberale indes vor allem bei einer Person bedanken: dem PiS-Parteichef und umstrittenem Strippenzieher Jaroslaw Kaczynski.