Ungarn

Und sie kommen doch

Als Ungarn im Herbst letzten Jahres seine Grenze zu Serbien und Kroatien mit einem vier Meter hohen Stacheldrahtzaun abriegelte und daraufhin kaum noch Flüchtlinge ins Land kamen, war der ungarische Regierungschef Viktor Orban begeistert. Grenzzäune seien „ein nahezu ideales Mittel“ gegen die „Migrantenflut“, sagte er in einem Interview und empfahl auch anderen Ländern einen Zaunbau.

Seitdem folgten die meisten Länder, die auf der sogenannten Balkan-Route für Flüchtlinge liegen, dem ungarischen Beispiel. Österreich, Slowenien und Mazedonien bauten Zäune. Kroatien sperrte seine Grenze mit Polizei und Militär ab und erwägt ebenfalls, einen Zaun an der serbischen Grenze zu bauen. Bulgarien verlängerte einen 30 Kilometer langen Grenzzaun, der bereits 2014 errichtet worden war, umfangreich.

Und siehe da – seit dem Ende des Durchwinkens auf der Balkan-Route kommen die Flüchtlinge nun auch wieder nach Ungarn: Je mehr Länder sich abschotten, desto mehr verteilt sich der Flüchtlingsstrom in Richtung Westen wieder auf unterschiedliche Routen. Eine von ihnen führt über Ungarn.


Immer mehr Schlepper in Serbien

Bis zu Jahresanfang waren es täglich höchstens einige wenige Flüchtlinge, die an der ungarischen Grenze zum Nachbarland Serbien aufgegriffen wurden, an manchen Tagen kamen gar keine. Inzwischen hat die ungarische Grenzpolizei wieder viel zu tun: Allein am letzten Wochenende wurden mehr als 500 Menschen beim illegalen Übertritt der serbisch-ungarischen Grenze verhaftet, insgesamt waren es seit Jahresanfang mehr als 2.200 Flüchtlinge.

Das ist zwar nur ein Bruchteil derer, die vor dem Zaunbau kamen, doch die Tendenz ist steigend. Denn seit Österreich sich mehr und mehr abschottet, ziehen die Länder Südosteuropas Schritt für Schritt nach – von Norden nach Süden. Schon letztes Jahr sperrte Mazedonien seine Grenze für alle Flüchtlinge außer für Iraker, Syrer und Afghanen mit gültigen Papieren. Seit dem vergangenen Wochenende werden auch Afghanen nicht mehr durchgelassen.

Nun schlagen sich viele Flüchtlinge mit Hilfe von Schleppern durch. Manche durchqueren Mazedonien illegal, manche kommen über Bulgarien oder Rumänien nach Serbien. Eine Station ist die nordserbische Wojwodina an der Grenze zu Ungarn. Nach Angaben von Mitarbeitern des Belgrader „Zentrums zum Schutz für Asylsuchende“ warten hier hunderte Flüchtlinge auf Gelegenheiten zum illegalen Grenzübertritt nach Ungarn, manche versuchen es auch über den Umweg im Länderdreieck zwischen Ungarn, Serbien und Rumänien.


Drohnen und Wärmebildkameras

Insgesamt sei festzustellen, dass immer mehr kriminelle Schlepper in Serbien aktiv seien, sagt Rados Djurovic, der Sprecher des „Zentrums zum Schutz für Asylsuchende“. Die Ko-Vorsitzende des ungarischen Helsinki-Komitees, Marta Pardavi, sagt ihrerseits, Abschottung fördere nur Menschenhandel und sei deshalb keine Lösung.

Die ungarische Regierung hält ihre Flüchtlingspolitik jedoch weiterhin für erfolgreich. „Die Idee der Grenzzäune ist nicht gescheitert“, sagt der Regierungssprecher Zoltan Kovacs. „Im Vergleich zu den Zahlen vor dem Zaunbau kommt auch jetzt nur ein Bruchteil an Flüchtlingen. Allerdings haben wir auch nie gesagt, dass Zäune die alleinige Lösung sind. Wir schützen die Grenze auch durch Polizei und Soldaten und haben den illegalen Grenzübertritt zur Straftat erklärt“, so Kovacs.

Inzwischen ließ die Regierung die Zahl der Polizisten, die die Grenze nach Serbien bewachen, verdoppeln. Auch eine technische Aufrüstung ist im Gange – immer mehr Drohnen und Wärmebildkameras werden eingesetzt. Zudem könnten, wie schon letzten Herbst, wieder Soldaten zum Grenzschutz abgestellt werden. Außerdem will das Innenministerium eine Spezialeinheit für die Zaunreparatur an die Grenze schicken, da der Grenzzaun immer öfter durchgeschnitten oder beschädigt wird. Viktor Orban seinerseits kündigte nach dem Anstieg der illegalen Grenzübertritte den Bau eines neuen Zaunes an – diesmal an der ungarisch-rumänischen Grenze.

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Quellen:

- Lektüre der Presse in Ungarn, Serbien, Mazedonien u.a.
- Interview mit dem ungarischen Regierungssprecher Zoltan Kovacs
- Interviews mit Rados Djurovic (Zentrum zum Schutz für Asylsuchende, Belgrad) und Marta Pardavi (Helsinki-Komitee, Budapest)
- Gespräche mit Flüchtlingshelfern in Südungarn und Wojwodina (Nordserbien)


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