Die Hoffnung heißt „Berlinka“
Die breite Straße ist wie leergefegt. Kaum ein Auto oder ein LKW ist an diesem frühlingshaften Werktag auf der Schnellstraße 22 unterwegs, die vom polnischen Elbląg (dt. Elbing) ins russische Kaliningrad führt. Ein Bild, das an die autofreien Sonntage der 70er Jahre in Deutschland erinnert. Dabei war die vierspurige Reichsautobahn bis 1945 der schnellste Weg vom damaligen Königsberg nach Berlin. Vom früheren Glanz ist heute nicht mehr viel zu sehen. Gestrüpp überwuchert vielerorts auf polnischer Seite zwei der vier Spuren der Autobahntrasse. Brücken wurden zurückgebaut. Immerhin trotzte der alte Belag im Vergleich zu den Straßen der Umgebung den Widrigkeiten des Wetters und der sozialistischen Misswirtschaft. Schlaglöcher, das große Ärgernis polnischer Straßen, sind hier noch Mangelware.
Etwas von dem alten Flair der „Berlinka“, wie die Straße in der Öffentlichkeit beinahe zärtlich genannt wird, soll nun zurückkommen. Mit elf Millionen Euro aus Fördertöpfen der Europäischen Union soll die „Berlinka“ auf neuesten Stand gebracht werden. Ab November 2005 soll sie eine moderne Transitstrecke sein. Einem Gutachten zu Folge werden dann 1,8 Millionen Autos, 300.000 LKW und 30.000 Busse die ausgebaute Schnellstraße nutzen. Davon will auch der 130.000 Einwohner zählende Ort Elbląg profitieren. Von einem wirtschaftlichen Aufschwung träumt Stadtoberhaupt Henryk Słonina. Neue Arbeitsplätze sollen durch Industriebetriebe, Gastronomie und das Tankstellengewerbe entstehen, so seine Hoffnung. „Dies ist eine neue Chance für Elbląg“, schwärmt er. Impulse sieht er auch für den Tourismus der ehemaligen Hansestadt. Elbląg als Tor ins Kaliningrader Gebiet und ins Baltikum.
In der Tat wird der Transitweg deutlich verkürzt, vor allem für Schwertransporter. Bislang mussten die dicken Brummis auf ihrer Route den weiter im Osten gelegenen Grenzübergang bei Bezledy ansteuern. Dies hat dann bald ein Ende. Grund ist der Zollterminal bei Grzechotki-Mamonowo, der den wirtschaftlichen Erfolg der „Berlinka“ garantieren und nächstes Jahr in Betrieb gehen soll. Ende Februar begannen die Bauarbeiten der Grenzstation. 50 Millionen Zloty (fast 11 Millionen Euro) stellte die Regierung in Warschau zur Verfügung. „Dies ist die wichtigste Investition in der Region der vergangenen Jahre“, so der Woiwode des Ermlands und der Masuren Stanisław Szatkowski. Bitter nötig hat die im Nordosten gelegene Woiwodschaft diese Verbesserung der Infrastruktur. Ein Drittel der Bevölkerung hier ist ohne Job, damit führt die Region einen traurigen Rekord im Lande an (die durchschnittliche Arbeitslosigkeit Polens liegt bei 20,6 Prozent; Stand Februar).
Was in Polen eine Erfolgsgeschichte werden könnte, sorgt schon seit langer Zeit für Verstimmungen mit den russischen Nachbarn. Gleich nach der Wende gab es erste Gespräche über eine Modernisierung der „Berlinka“. Einig waren sich beide Länder, dass etwas getan werden muss. Problematisch waren vor allem die Brücken, von denen auf polnischer Seite drei zerstört waren. Dort blieb lange Zeit unklar, wer für die Restaurierung und die Finanzierung der Brücken und Straße zuständig ist. Das „Marschallamt der Woiwodschaft Ermland und Masuren“ oder der Staat. Auch private Investoren, die die Investitionskosten über Mautgebühren refinanzieren wollten, waren im Gespräch. Derweil man sich in Polen über die Finanzierung stritt, schritten die Bauarbeiten im Kaliningrader Gebiet gut voran. 1998 schließlich begannen auch in Polen die Instandsetzungsarbeiten. Seit Sommer 2003 wird nun auch an den beiden letzten Brücken auf dem 51 Kilometer langen „Berlinka“-Teilstück von Elbląg bis zur russischen Grenze gebaut.
Profitieren werden am Ende die Menschen vor und hinter der EU-Grenze vom schneller rollenden Durchgangsverkehr.
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