Polen

Polnischer Rundfunk: Grüße aus der Festung

Renata Kim geht auf jede Demonstration gegen die neue national-konservative Regierung. Bei den Protesten für Medienfreiheit Anfang Januar stand die Redakteurin der polnischen Ausgabe des Magazins „Newsweek“ vor dem Gebäude von TVP, dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen, als sie eine SMS bekam. „Grüße aus der Festung. Wir sind mit euch“, schrieb einer der Journalisten, der vom Fenster aus die Demonstration beobachtete.

Etliche bekannte Moderatoren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben sich in den vergangenen Wochen von ihren Zuschauern verabschiedet, weil sie der neuen rechtskonservativen Regierung in Warschau nicht ins Konzept passen. Darunter die Fernsehstars Beata Tadla oder der Anchor-Man Piotr Krasko. Der Moderator Tomasz Lis versuchte in seiner letzten Sendung am Montagabend, seinen Zuschauern Mut zu machen: „Polen wird wieder demokratisch, tolerant und lächelnd“, sagte er zum Abschied. „Kopf hoch, alles wird gut.“

Lis ist eine prominente Figur ein Polen. Er ist nicht nur Moderator, sondern auch Chefredakteur der polnischen Ausgabe des Nachrichtenmagazins „Newsweek“, das die Regierung von Jaroslaw Kaczynskis PiS-Partei scharf kritisiert. Das Aus für seine Sendung wurde zwar bereits von der ehemaligen Führungsriege im vergangenen Herbst im Rahmen einer Programmreform beschlossen. Doch weniger als vier Monate später war „Tomasz Lis live“ die letzte kritische Sendung im polnischen Fernsehen.

Seit ein paar Wochen untersteht die Personalabteilung beim polnischen Fernsehen direkt dem polnischen Schatzminister, der seitdem die Linie des Rundfunks bestimmt. Schon während des Wahlkampfs kündigte die PiS-Partei an, dass sie bei einem Sieg die Medien „säubern“ wolle – „von allen Feinden der Nation“ hieß es damals, den „Dienern des Systems“.

Der Rundfunk in Polen stand schon immer unter dem Einfluss der Politik, auch Vorgängerregierungen wechselten Moderatoren aus. „Doch es ging nie so schnell, so gründlich und mit Ankündigung wie jetzt“, sagt Renata Kim.

Der neue Fernsehdirektor Jacek Kurski kündigte ein neues Gesetz an, nach dem alle Redakteure und Mitarbeiter binnen drei Monaten ihren Job verlieren sollen. Wieder eingestellt werden nur diejenigen, die sich zu „patriotischer Berichterstattung“ verpflichten. Darüber entscheiden wird die neue Führungsriege, die direkt vom Minister für Staatsbesitz ernannt wird.

Die Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens selbst halten aus Angst überwiegend still. „Jeder schaut misstrauisch auf den anderen“, sagt der Fernsehreporter M. „Man flüstert nur noch auf dem Flur, achtet auf seine Worte, damit man nicht bei den neuen Chefs verpetzt wird.“ Er erzählt, wie sich der Redaktionsalltag binnen weniger Tage verändert hat. „Man sieht täglich neue Gesichter“. Einige von ihnen kennt M. aus rechtkonservativen privaten Medien, andere aus dem katholischen Medienimperium von Pater Rydzyk, zu dem auch „Radio Maria“ gehört.

Auch die Zensur funktioniere bereits reibungslos: „Die neue Chefredakteurin schaut jedem Reporter über die Schulter. Sie sagt, was zu tun ist, wie der Beitrag gemacht werden soll.“ Sogar die Interviewpartner und O-Ton-Geber seien nicht mehr zufällig, behauptet M. Natürlich gebe es auch Kollegen, die sich mit dem PiS-Programm identifizierten oder tatsächlich glaubten, dass die Regierung die Arbeitsbedingungen im Rundfunk verbessern wird.

M. hat wie viele lediglich einen sogenannten „Müllvertrag“ – er bekommt kein festes Gehalt, sondern Honorare für Beiträge und Dienststunden. So auch Redakteur L., der seit zehn Jahren beim öffentlichen Rundfunk arbeitet. Die meisten Mitarbeiter wurden vor Jahren aus Kostengründen in eine Leihfirma ausgegliedert.

Säuberungen nach Regierungswechseln habe es, in gewisser Sinne, immer gegeben, sagt Redakteur L. „Man wurde einfach im Dienstplan nicht berücksichtigt“. Das Klima in der Redaktion sei unerträglich. „Ich weiß nicht, ob ich auch entlassen werde“, sagt L., der gerade zum dritten Mal Vater geworden ist und eine Familie zu versorgen hat. Er und seine Kollegen trösten sich zwar, dass man nicht alle Entlassenen ersetzen könne. „Doch wie soll ich Beiträge mit meinem Namen unterschreiben, wenn ich weiß, sie sind nicht objektiv, sondern propagandistisch?“

Die neue Linie macht sich im Programm bemerkbar. Nach dem Besuch von Premierministerin Beata Szydlo beim Europäischen Parlament Mitte Januar zeigten die Nachrichten sie als neue Führungsfigur der EU. Gezeigt wurden nur positive Stimmen aus dem Ausland – die kritischen Stimmen wurden dagegen verschwiegen. Als die Ratingagentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit Polens herabstufte, brachte das öffentliche Fernsehen nur eine kurze Meldung. Dafür aber wird das Thema „Silvesternacht in Köln“ großzügig täglich analysiert.

„Vielleicht wäre ein Boykott keine schlechte Sache“, sagt Renata Kim. Einige Journalisten und Reformkritiker rufen dazu auf. In den 1980-er Jahren habe es in Polen doch geklappt. Damals schalteten viele Polen das Staatsfernsehen einfach nicht mehr ein.


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