„Provokante Titelblätter gehören in Polen dazu“
n-ost: Angela Merkel beugt sich in Führer-Pose über eine Landkarte, darüber die Schlagzeile: „Sie wollen Polen wieder kontrollieren“. War dieses Titelbild Ihrer Zeitschrift „Wprost“ ernst gemeint?
Tomasz Wroblewski: Wörtlich war das Titelblatt natürlich nicht gemeint. Wir fühlen uns nicht von den Deutschen eingekesselt. Aber die Äußerungen von meist deutschen EU-Politikern zur politischen Lage in Polen haben uns schon irritiert: EU-Kommissar Günther Oettinger wollte Polen „unter Aufsicht stellen“, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sprach von einer „gelenkten Demokratie nach Putins Art“.
Und da mussten Sie mit einem Nazi-Vergleich kontern?
Wroblewski: Nochmal: Wir sehen Deutschland nicht als unseren Feind. Aber die harsche Kritik an unserer Regierung kam nun mal nicht überwiegend von französischen oder britischen, sondern vor allem von deutschen EU-Politikern. Unser Titelbild war die Antwort auf diese Vorwürfe: Es sollte zeigen, wie unwohl wir Polen uns mit solchen Anschuldigungen gerade von Deutschen fühlen.
Wie hat die polnische Öffentlichkeit auf das Titelblatt reagiert?
Wroblewski: Im Großen und Ganzen gab es keine außergewöhnlichen Reaktionen. Einige linksgerichtete Zeitungen waren nicht einverstanden mit der Darstellung, aber das war zu erwarten. Provokante Titelblätter gehören bei uns dazu. Die Medien in Polen sind wie die Gesellschaft extrem polarisiert.
Die rechtsgerichtete „Gazeta Polska“ geht noch weiter. Sie beschuldigte Demonstranten, die gegen die PiS auf die Straße gehen, sie seien womöglich von Deutschland bezahlt.
Wroblewski: Davon wissen wir nichts, und eine solche Kritik entspricht auch nicht unserer Position. Unsere Redaktion hat sich zwar vor den Wahlen für einen Regierungswechsel ausgesprochen. Aber jetzt kritisieren wir einige Maßnahmen der PiS-Regierung. Zum Beispiel die geplanten Sozialreformen oder das neue Mediengesetz, welches das öffentliche Rundfunksystem in „nationale Kulturinstitute“ umwandelt, die direkt an ein Ministerium berichten müssen. Unser Magazin plädiert dafür, den Einfluss der Politik auf die Medien grundsätzlich zu beschneiden und den Rundfunk zu privatisieren.
Nationalkonservative Journalisten kritisieren zunehmend auch die Meinungsmacht deutscher Verleger wie Axel Springer oder Bauer auf dem polnischen Medienmarkt.
Wroblewski: Deutsche Verlage sind in Polen tatsächlich ungewöhnlich präsent. Allein mit „Fakt“ bringt Springer die größte Boulevardzeitung des Landes heraus. Und polnische Regionalzeitungen gehören zu 90 Prozent der Verlagsgruppe Passau.Ich selbst habe auch schon für Magazine des Springer-Verlags wie „Newsweek Polska“ gearbeitet und nur gute Erfahrungen gemacht, Einflussnahme habe ich nie erlebt. Dennoch kann ich verstehen, dass Leser irritiert sind, wenn selbst ihre Lokalzeitung in deutscher Hand ist.
Können Sie sich vorstellen, dass die Regierung indirekt gegen unliebsame Zeitungen und Zeitschriften vorgeht, in dem sie polnische Staatsunternehmen dort keine Anzeigen mehr schalten lässt?
Wroblewski: Das ist vorstellbar und wäre nicht ungewöhnlich. Wir haben es bei „Wprost“ selbst erlebt: Im vergangenen Herbst haben wir belastende Mitschnitte von Politikergesprächen der damaligen Tusk-Regierung veröffentlicht. Sofort stoppten Staatsunternehmen ihre Anzeigen bei uns. Seit dem Regierungswechsel haben sie wieder Geld für uns übrig.
Zurück zur Stimmungsmache in polnischen Medien. Ihr Kollege Jerzy Haszczynski von der konservativen Tageszeitung „Rzeczpospolita“ rief neulich zur Besonnenheit auf, auch unter Journalisten. „Lasst uns nicht in diesen Krieg ziehen“, lautete sein Artikel. Hat er Recht?
Wroblewski: Er hat zur Mäßigung aufgerufen, vor allem bei der Wortwahl. Das unterschreibe ich. Dazu gehört aber auch, dass beide Seiten – Polen und die EU – sich beruhigen und überlegen, wie sie Kritik äußern. Der Ton macht die Musik.
Und wenn der Ton wieder schärfer wird, gibt es dann wieder ein Nazi-Titelblatt?
Wroblewski: Wenn das Thema wieder relevant und wichtig für unsere Leser wird, ja. Wir werden als Nachrichtenmagazin weiterhin die Fragen benennen, die sich die Menschen auch selbst stellen.
Zur Person:
Tomasz Wroblewski ist seit 2015 Chefredakteur des liberal-konservativen Wochenmagazins „Wprost“. Von 2011 bis 2012 war er Chefredakteur der konservativen Tageszeitung Rzeczpospolita. Dort wurde er entlassen, nachdem er einen fehlerhaften Bericht über angebliche Sprengstoffspuren am Wrack der 2010 in Smolensk abgestürzten Präsidentenmaschine veröffentlicht hatte. Er arbeitete zudem u.a. für Newsweek Polska, das im Springer-Verlag erscheint sowie für die Tageszeitung „Dziennik Gazeta Prawna”.
Wprost:
Das liberal-konservative, überparteiliche Wochenmagazin „Wprost“ ist bekannt für provokante Titelbilder. So zeigte das Magazin 2003 die CDU-Abgeordnete Erika Steinbach in SS-Uniform auf dem Rücken Gerhard Schröders. Schröder und Wladimir Putin wurden zudem anstatt mit Händen mit Gasleitungen gezeigt. 2014 veröffentlichte die Redaktion Tonbänder privater Aussagen von politischen Entscheidungsträgern und brachte damit die Regierung von Donald Tusk in Bedrängnis.
Quellen:
Titelbild Wprost:
http://www.wprost.pl/tygodnik/?I=1719
Artikel in der Gazeta Polska:
http://www.gazetapolska.pl/33668-kto-broni-konstytucji-za-niemieckie-pieniadze
Medienindex eurotopics
http://www.eurotopics.net/de/home/medienindex/media_articles/?frommedia=3119&search=1