Litauen

Paksas: Parlament erzwingt vorzeitige Landung

Vilnius (n-ost). „Damit ist der Präsident seines Amtes enthoben. Der Prozess ist beendet“, sprach der höchste Richter des Landes Vytautas Greicius und schlug den kleinen Gong zu seiner Rechten. Zügig wandte er sich dem Parlamentsausgang zu, während ihm die Saaldienerin noch Protokollarisches weiter zu geben versucht.

Der Bedeutung so richtig bewusst ist sich wohl kaum einer in Litauen. Doch das Neumitglied der NATO und ab 1. Mai auch in der EU hat am Dienstagnachmittag Geschichte geschrieben: seine Volksvertretung, der Seimas, hat erstmals in der jüngeren europäischen Vergangenheit den Präsidenten erfolgreich des Amtsmissbrauchs angeklagt und aus dem Amt gewählt.
Doch in den Medien, bei den Politikern und bei der Mehrzahl der Bevölkerung herrschte zunächst schlicht Erleichterung: „Ich bin froh, dass es endlich vorbei ist. Ich habe genug von diesen Geschichten“, meint die Rentnerin Lidija Matulaviciene stellvertretend für viele, für die das Monate lange Gezerre ein unverständliches Juristenkauderwelsch war.
Die Schwierigkeit lag in der Tat darin, dem litauischen Präsidenten Rolandas Paksas, 47, konkrete Gesetzesverstöße nachzuweisen, die leicht nachvollziehbar und gut beweisbar sind. Zu Beginn der Affäre vor einem halben Jahr war von einer „Gefahr für die nationale Sicherheit“ und Mafia-Kontakten die Rede.
Davon blieben letztendlich die Vorwürfe, der Präsident habe seinem Hauptsponsor im Wahlkampf, dem russischen Geschäftsmann Jurij Borissow, als Gegenleistung unrechtmäßig zur litauischen Staatsbürgerschaft verholfen, und ihn gewarnt, dass sein Telefon abgehört werde. Zudem habe er versucht, befreundeten Personen kraft seines Amtes Aktien eines Straßenbauunternehmens zu sichern.

Vorwürfe die das Verfassungsgericht allesamt als „schwerwiegende Verletzung der Verfassung“ bestätigt und damit die Amtsenthebung ermöglicht hatte. Doch politisch waren diese Vorwürfe wenig durchschlagend. Entsprechend dünn fiel die nötige 3/5-Mehrheit im Parlament aus: in den ersten beiden Anklagepunkten lag sie nur eine Stimme über der nötigen Anzahl von 85 Abgeordneten. Dabei verfügt die vom Präsidenten gegründete populistische Liberaldemokratische Partei nur über 16 Sitze im Seimas.
So kämpft der gelernte Kunstflieger weiter in seiner Rolle des Don Quichotte: „Das System, gegen das zu kämpfen ich mich anschickte, ist viel mächtiger als Sie sich vorstellen können“, sagte er noch vor seiner Amtsenthebung in einer Fernsehansprache und beklagte die Manipulation von Geheimdienstmaterial. „Ich lege mein Schicksal in Ihre Hände“, sagte er vieldeutig. Nicht das Parlament ist für ihn der Maßstab, sondern das Volk, das sich, vor allem auf dem Land, immer und immer wieder zu „seinem“ Präsidenten bekannt hat.

Während er „die Spaltung der Gesellschaft“ und die Beschädigung des internationalen Ansehens Litauens beklagt, trägt er durch seine Beharrlichkeit und sein populistisches „Wir gegen die“ selbst dazu bei. Dies insbesondere, wenn er seine Ankündigung wahr machen sollte bei vorzeitigen Neuwahlen erneut anzutreten. Einstweilen aber atmet die politische Klasse in der litauischen Hauptstadt Vilnius auf, diesen unbequemen Akteur los geworden zu sein. „Die Gerechtigkeit hat gesiegt“, meinte der neue Interims-Präsident Arturas Paulauskas abschließend.

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