Polen

Breslau - Kulturhauptstadt mit rechter Szene

Es ist Samstag, und in Breslaus historischer Altstadt stellt ein ausländischer Tourist im Info-Zentrum seinen Besuchsplan zusammen. „Können sie mir Orte empfehlen, an denen ich vor Hooligans und Schlägern sicher bin?“, fragt der dunkelhäutige Mann die Mitarbeiterin des Zentrums. Die antwortet in aller Ruhe, die Innenstadt sei sicher, der Gast müsse sich keine Sorgen machen.

Doch Breslau hat ein braunes Problem. Und es wächst. So rieben sich viele Polen in den vergangenen Monaten die Augen, als die 640.000-Einwohner-Stadt nicht nur durch rechte Aufmärsche, sondern auch Gewalt gegen Ausländer und linke Aktivisten in die Schlagzeilen geriet.


Die rechte Szene wächst

Denn Breslau, das ab 2016 Europas Kulturhauptstadt ist, gilt nicht nur als Boom-Stadt, in der die Arbeitslosigkeit mit 3,5 Prozent deutlich unter den landesweiten zehn Prozent liegt. Die Stadt ist mit ihren rund 100.000 Studierenden auch eines der wichtigsten Bildungszentren Polens. Die reiche Kulturszene wirkt wie ein Magnet auf junge polnische Binnenmigranten, die hier zum Lernen und Arbeiten kommen. Doch gerade sie stärken auch die wachsende rechte Szene.

Den Stadtverantwortlichen bereitet vor Ort etwa die Gruppierung „Nationales Wiedererwachen Polens“ (NOP) Kopfzerbrechen. In Breslau ist die NOP, von Skinheads dominiert und neonazistisch geprägt, so stark wie in kaum einer anderen Stadt. Ideologisch aufgeladen wurden und werden die NOP-Anhänger seit den frühen 1990-er Jahren durch aus Breslau stammende, rechtsextreme oder neonazistische Bands wie „Legion“ oder die inzwischen aufgelöste „Konkwista 88“.

Am 11. November, dem polnischen Unabhängigkeitstag, konnte die NOP in Breslau rund 10.000 Demonstranten auf die Straße bringen. Internationale in Breslau ansässige Unternehmen wie IBM ermahnten ihre Mitarbeiter, zu Hause zu bleiben. Die NOP agitiert gegen EU und Migranten, sowie für ein schwulenfreies „großes katholisches Polen“.


Alles Deutsche ist feindlich

Auf Gesprächsanfragen reagiert die NOP nicht, zumal auf keine von deutschsprachigen Medien. Alles Deutsche gilt ihnen als feindlich – nicht zuletzt in ihrem Wroclaw, das vor 1945 zwei Jahrhunderte lang preußisch und deutsch war. Entsprechend schreibt die NOP über eine Demonstration am 13. Dezember, dem Jahrestag der Ausrufung des Kriegsrechts in Polen 1981: „Stadtpräsident Rafal Dutkiewicz bekommt die Quittung für die Germanisierung der Stadt, für den Versuch, Wroclaw wieder als ‚Breslau‘ zu bewerben, für die Umleitung der Gewinne aus Bauvorhaben an deutsche Firmen und den Verkauf von Grundbesitz an die jüdische Gemeinde mit einem Rekordrabatt von 99 Prozent!“

Gegen Juden agitiert die NOP ebenso stark wie die Gruppierung National-Radikales Lager (ONR). Bei einer ONR-Demo auf Breslaus zentralem Marktplatz gegen Flüchtlinge im November verbrannten Teilnehmer eine Menschenpuppe, die einen Juden repräsentieren sollte. Etliche Gruppen und Persönlichkeiten protestierten, sie setzen sich für eine Stadt der Toleranz ein. Doch das braune Problem ist damit nicht gebannt.

Politisch gefährlicher als die ONR oder die NOP ist indes eine andere Gruppierung – die Nationale Bewegung (RN). Die Partei konnte bei den jüngsten Parlamentswahlen im Oktober 2015 rund ein Dutzend Abgeordnete über Listen der gemäßigt rechtspopulistischen Gruppierung Kukiz’15 in den Sejm (Unterkammer) bringen – und diese nach Meinung von Beobachtern künftig dominieren. „Die RN wird versuchen, sich als polnische Jobbik zu etablieren“, sagt Michal Syska, Direktor des Breslauer Lasalle-Instituts für gesellschaftliche Fragen in Breslau.

RN-Chef und Sejm-Abgeordneter Robert Winnicki hat seine Karriere ebenfalls in Breslau begonnen. Karol Wilk, Winnickis Büroleiter vor Ort, sagt: „Wir spötteln manchmal, dass es bei uns niemand zu etwas bringt, der nicht durch Breslau und die Region Niederschlesien geht.“ Der 27-Jährige Wilk sieht die Gründe dafür in Breslaus Bedeutung als Universitätsstadt, an denen sich rechte Kader bildeten. Er selbst promoviert in Jura. „Wir wollen einen radikalen Wandel unseres Vaterlandes, aber radikal ist nicht gleichbedeutend mit Gewalt“, sagt er. Auch wolle die RN nicht, wie von vielen unterstellt, mit Schlagstöcken das Parlament stürmen.

Sie müssen es nicht stürmen. „Unsere Vertreter“, sagt Wilk, „können heute von der Sejm-Rednerbühne sprechen.“ Das RN-Büro in Breslau ist frisch angemietet, die Regale leer. „Wir fangen gerade erst an.“


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