Polen

Mit Frauenpower ins Parlament

Beim Wahl-Duell im polnischen Fernsehen war Moderator Piotr Krasko der einzige Mann in der Runde. „Vor uns liegt das wichtigste Gespräch über Polen im laufenden Jahr, vielleicht sogar das wichtigste für die kommenden Jahre”, begrüßte er die Zuschauer am vergangenen Montag Abend – und stellte ihnen seine Gesprächspartnerinnen vor: Auf seiner Rechten die amtierende Regierungschefin Ewa Kopacz von der liberalen Bürgerplattform PO, auf seiner Linken deren Herausforderin Beata Szydlo, Kandidatin für die nationalkonservative PiS von Jaroslaw Kaczynski.

Das TV-Duell gilt als letztes wichtiges öffentliches Ereignis vor den Parlamentswahlen in Polen am kommenden Sonntag. Die Presse kritisierte die Konfrontation zwar als eher langweilig. Doch wurde eins dabei augenscheinlich: In dem östlichen EU-Land spielen die Frauen in der Politik eine entscheidende Rolle.


Polnischer Feminismus

Polen ist das bisher einzige Land in Europa, in dem die Parteien bei einer Parlamentswahl ausschließlich Frauen ins Rennen um das Amt der Regierungschefin geschickt haben. Und Premierministerin Ewa Kopacz und ihre nationalkonservative Konkurrentin Beata Szydlo sind noch nicht einmal die einzigen Frauen, die im Wahlkampf den Ton angeben: Dazu gesellt sich auch Barbara Nowacka von der Vereinigten Linken, die Spitzenkandidatin der Postkommunisten und anderen linken Gruppierungen. In Deutschland, Lettland oder Norwegen haben sich zwar auch Regierungschefinnen in Wahlkämpfen durchgesetzt. Doch waren ihre Gegner ausschließlich Männer.

„Dies ist das Ergebnis einer sozialen Entwicklung, die wir seit dem Ende des Kommunismus beobachten”, erklärt Malgorzata Kaczorowska von der Universität Warschau. „Die Polinnen haben seitdem immer mehr Rechte und Selbstbewusstsein gewonnen”, so die Politologin. „Dies ist ein Erfolg der Frauenbewegung in Polen”, sagt auch Agata Chelstowska, Analystin vom Think Tank ISP in Warschau und meint damit die lange Tradition weiblicher Stärke in Polen: Während die Männer fast ständig im Krieg waren, managten die Frauen Haus und Hof.

Bereits in der Solidarnosc-Bewegung in den 1980er-Jahren übernahmen Frauen die Führung. „Sie haben schon 1918 das Wahlrecht erhalten, während die US-Amerikanerinnen erstmals 1920 zu den Urnen gehen durften”, ordnet die Warschauer Politikwissenschaftlerin Malgorzata Moleda-Zdziech ein. „Die Französinnen hatten dieses Recht hingegen sogar erst 1944.”


Der hohe Frauenanteil im Parlament ist kein Zufall

Der hohe Frauenanteil bei der anstehenden Parlamentswahl spiegelt sich auch auf den Wahllisten für den Sejm, das polnische Parlament, wider: Über 40 Prozent aller Kandidaten sind Frauen. 1991 betrug der Anteil gerade einmal zehn Prozent. Der Zuwachs an Kandidatinnen ist politisch gewollt, erklärt Henryka Bochniarz, die Vorsitzende der Vereinigung „Frauenkongress”, die sich für Gleichberechtigung einsetzt: „Polen hat 2009 eine Quote eingeführt, die ihnen 35 Prozent der Sitze garantiert”.

Ein fader Beigeschmack ist allerdings, dass alle drei Kandidatinnen letztlich von Männern inthronisiert scheinen. Ewa Kopacz gilt als Günstling des Ex-Premiers Donald Tusk, der im Dezember 2014 nach Brüssel wechselte, um dort das Amt des EU-Ratspräsidenten zu übernehmen. Hinter Beata Szydlo stehe der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski, heißt es, und Barbara Nowacka sei schließlich nur ein Zögling des Alt-Kommunisten Leszek Miller.


Eine Frau gegen Frauenrechte

„Die Frauen aufzustellen, ist professionelles taktisches Kalkül”, sagt auch Rafal Chwedoruk im Gespräch mit dem Onlineportal „Wirtualna Polska”, Politikwissenschaftler an der Universität Warschau. Ein Grund könne sein, dass die Parteien damit mehr Wählerinnen gewinnen wollen”, so Chwedoruk.

Beim TV-Duell spielte das Geschlecht der Kandidatinnen indes keine Rolle. Die Presse fokussierte sie sich darauf, was die Kandidatinnen zu Sachthemen zu sagen hatten. Während des Gespräches attackierte Kopacz ihre Kontrahentin Szydlo nur einmal mit einem Frauenthema: „Es geht mir um Frauenrechte in ihrem neuen Entwurf für die Verfassung“, so die noch amtierende Regierungschefin. „Was ist eigentlich mit den außerehelichen Kindern, für die es dort keine Regelung gibt?“, fragte sie ihre Gegnerin, die sich um eine direkte Antwort herumdrückte.

Diese Ignoranz nehmen Szydlo die Wähler aber nicht übel, sie liegt bei den aktuellen Umfragen vorne. Dabei sieht es nicht danach aus, dass sich die nationalkonservative Kandidatin besonders für die Belange der Frauen einsetzen wird, sollte sie am kommenden Sonntag zur Premierministerin gewählt werden. Im Gegenteil: Sie dürfte sogar erzkonservative Werte vertreten – und sich dabei nicht nur für ein totales Abtreibungsverbot stark machen, sondern auch mit aller Macht die Rechte von Homosexuellen und Transsexuellen im Land torpedieren.


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