Litauen

LKW-Klau in Polizeiuniform

Vilnius (n-ost) Eine neue Vorgehensweise haben sich Kriminelle in Litauen ausgedacht, um an neue LKW aus dem Westen zu gelangen. Als Polizisten verkleidet stoppten sie die Brummis auf der verschneiten Transitstrecke „Via Baltica“, die weiter nach Lettland und Estland führt. Unter dem Vorwand einer Kontrolle wurden die Fahrer zum vermeintlichen Polizeiauto gelotst. Dort zerrten die Täter sie mit Gewalt in den Wagen und beraubten sie unter Schlägen ihrer Schlüssel. Während ein Teil der Bande mit den LKW davon fuhr, brachte die „Wachmannschaft“ die Fahrer in einen 30 Kilometer entfernten Wald. Nach mehrstündiger Bewachung überließen sie die Gefesselten bei eisigen Temperaturen ihrem Schicksal.
Als sich die Trucker befreit und die Tat beim nächsten Polizeirevier gemeldet hatten, waren die Täter bereits über alle Berge. Von LKW und Ladung – Kaffee im Wert von knapp 150.000 Euro – fehlt bislang jede Spur. Wie die litauische Kriminalpolizei bestätigt, sei der Vorfall nicht der erste dieser Art, allerdings in seiner Dreistigkeit bemerkenswert. Den ermittelnden Beamten war es im Jahre 2002 gelungen mehrere Banden dingfest zu machen, auf deren Konto über dreißig solcher Überfälle innerhalb eines Jahres gingen. Damals hatten die Täter die LKW-Fahrer aber vorwiegend auf abgelegenen Rastplätzen heimgesucht.
Neu ist zudem, dass die Täter in diesem Fall mit der Ladung größere Beute gemacht haben dürften als mit den Trucks. Diese seien, so der ermittelnde Oberkommissar Gintautas Tijunaitis, „ziemlich alt“ gewesen. In der Vergangenheit waren „neue Laster, mit Vorliebe weiße Volvo-Zugmaschinen“ Ziel der Räuber gewesen, wie Jevgenij Metlov, zuständiger Kripo-Beamter bei der litauischen Kriminalpolizei erläutert: „Die Täter haben die LKW regelrecht nach Zulassungsdatum ausgesucht.“
Neue Zugmaschinen erzielten auf dem Schwarzmarkt in Russland Preise von 20.000-30.000 Euro, Kühllaster etwas mehr, so Metlov. „Sind die Laster einmal über die Grenze tauchen sie nicht mehr wieder auf.“ Getroffen habe es Fahrer aller Nationen, Deutsche seien bislang aber nicht darunter gewesen.
Nach den Ermittlungserfolgen gegen die Banden vor zwei Jahren waren die Zahlen im letzten Jahr drastisch zurück gegangen. Von den vier im Jahre 2003 geraubten LKW konnten drei später sicher gestellt werden. In einem Fall hatten die Täter zudem wenig Glück mit der Ladung: bereits am nächsten Tag konnten die 40 Tonnen Tomaten auf einem Markt in Litauens zweit größter Stadt Kaunas sicher gestellt werden.
In einem anderen Fall hatte der Räuber sein eigenes Auto am Tatort stehen gelassen. Kein Vergleich zur professionellen Ausführung im allerneuesten Fall. Kommissar Metlov befürchtet: „Ein Mitglied der organisierten Kriminellen von 2002 ist noch flüchtig – es könnte sein, dass er hinter dem neuesten Fall steckt“.
Eine wirksame Maßnahme gegen ein Aufleben der modernen Wegelagerei sei – neben den Ermittlungserfolgen – die Einrichtung spezieller Polizeipatrouillen für die Überlandstraßen: „Die Polen hatten vor zwei Jahren Riesenprobleme, doch seit dem Einsatz von Streifen sind die Zahlen drastisch zurück gegangen“, so Metlov.

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