„Asyl ist kein Verbrechen“ / Interview
n-ost: Am morgigen 15. September wird in Ungarn der Notstand wegen der Flüchtlingskrise ausgerufen. Neue Gesetze ermöglichen unter anderem schärfere Grenzkontrollen. Wie steht das UNHCR zu den neuen Beschlüssen?
Babar Baloch: Vincent Cochetel, Regional Refugee Coordinator für die europäische Flüchtlingskrise, hat die ungarische Regierung in der vergangenen Woche in einem Statement dazu aufgefordert, die neu in Kraft tretenden Gesetze nach europäischem und internationalem Recht anzuwenden. Das heißt auch, dass jeder eingelassen werden muss, der an die Grenze kommt und klar artikuliert, dass er Asyl ersuchen möchte. Dies ist nach internationalem Recht kein Verbrechen, selbst dann nicht, wenn man die Grenze illegal übertreten hat – auch das schreibt die Flüchtlingskonvention vor.
Wie gestaltet sich die Arbeit des UN-Flüchtlingshilfswerks in Ungarn?
Baloch: Nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 ist es die Aufgabe des UNHCR, zu überwachen, zu beobachten und zu beraten. Ungarn wiederum hat die Pflicht, sich um die Flüchtlinge im Land zu kümmern. Doch als vor zwei Wochen die Züge nicht mehr vom Ostbahnhof gen Deutschland und Österreich fuhren und immer mehr Menschen in Ungarn feststeckten, mussten wir feststellen, dass die ungarischen Behörden nicht allein mit der Situation zurechtkommen. Deshalb baten wir darum, dass uns aktive Mithilfe gewährt wird.
Und konnten Sie konkret helfen?
Baloch: An der Sammelstelle in Röszke an der serbisch-ungarischen Grenze hat die Regierung unser Angebot angenommen. Dort versorgen wir die Flüchtlinge mit Zelten, Decken und Plastikplanen. Wir haben aber auch unsere Hilfe an den Aufnahmezentren angeboten, wo die Polizei die Flüchtlinge registriert. Aber hier haben wir noch keine Genehmigung.
Wo ist das UNHCR noch in Ungarn aktiv?
Baloch: Allgemein ist das UNHCR bereits seit Jahren in Ungarn tätig, und unsere Mitarbeiter sind überall, wo sie gebraucht werden, ob am Keleti oder der ungarisch-serbischen Grenze. Am Ostbahnhof zum Beispiel treten wir mit den Flüchtlingen in den Dialog, um uns über ihre Bedürfnisse zu informieren, geben Rat. Ich spreche Paschtu und Dari, das sind Sprachen des Bezirks Awaran in Pakistan, und kann so beim Dolmetschen und Übersetzen helfen.
Im ungarischen Parlament finden Diskussionen über die Hintergründe der aktuellen Migrationswelle statt. Der Zaun entlang der serbischen Grenze soll insbesondere Wirtschaftsflüchtlinge fernhalten, heißt es.
Baloch: Ungarn hat momentan hauptsächlich mit Kriegsflüchtlingen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak zu tun. Es kommen aber auch Menschen aus Pakistan und Bangladesch – Länder, die nicht direkt Flüchtlingsströme produzieren. Aus UNHCR-Sicht ist es wichtig, dass es hier in Ungarn von Anfang an einen guten Aufnahme- und Registrierungsprozess für die neu ankommenden Menschen gibt. Bei allem soll überprüft werden, ob sie auf internationalen Schutz angewiesen sind. Hierfür braucht es ein gutes System. Wir haben jedoch keine Einwände, dass Menschen gegebenenfalls und in Beachtung internationaler Menschenrechtsstandards in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden, sofern sie keinen internationalen Schutz benötigen.
Zur Person:
Der 41-jährige Babar Baloch ist seit Juni 2015 zentraleuropäischer Sprecher des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen in Budapest. Davor war er in Genf als Communications Officer des UNHCR für Amerika und Asien zuständig. Er stammt aus der pakistanischen Provinz Belutschistan.